Grenzen des Legalen

Neue Regeln für US-Antiterror-Militärtribunale erlauben Hörensagen und erzwungene Aussagen als Beweise

BERLIN taz ■ Das US-Verteidigungsministerium hat am Donnerstag ein neues Regelwerk für die Verurteilung von Terrorverdächtigen durch Militärtribunale veröffentlicht. Danach ist es den Richtern erlaubt, Behauptungen vom Hörensagen oder erzwungene Aussagen als Beweismittel anzuerkennen. Um derartige Zeugenaussagen zuzulassen, muss der Militärrichter lediglich entscheiden, ob die Aussage glaubwürdig und für den Fall relevant ist. Lediglich unter Folter erpresste Aussagen sollen nicht zugelassen werden.

Auch diese einzige Einschränkung jedoch dürfte sich als löchrig erweisen. Denn etliche Verhörmethoden, die erst mit dem Inkrafttreten neuer Richtlinien im vergangenen Jahr verboten wurden, werden offiziell von den USA noch immer nicht als Folter betrachtet. Insbesondere bei den Verfahren gegen die wichtigsten Gefangenen im US-Stützpunkt Guantánamo, jenen vierzehn mutmaßlichen hochrangigen Al-Qaida-Mitgliedern, die erst im vergangenen Jahr aus Geheimgefängnissen in verschiedenen Teilen der Welt nach Guantánamo gebracht worden waren, könnte diese Unterscheidung aber wichtig werden. Immerhin saßen sie zuvor an Orten, deren Existenz vor der Öffentlichkeit gehalten worden war und deren genaue Standorte bis heute nicht bekannt sind. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass die Gefangenen mindestens der Praktik des als „Water Boarding“ bekannten simulierten Ertränkens ausgesetzt waren. Unter den vierzehn Gefangenen befindet sich auch Khalid Sheikh Mohammed. Ihm wird von den US-Behörden vorgeworfen, die Anschläge vom 11. September 2001 geplant und koordiniert zu haben.

Die Bush-Regierung möchte so schnell wie möglich mit Verfahren vor den Militärtribunalen beginnen, nachdem der Oberste Gerichtshof im vergangenen Jahr die alten Verfahrensregeln für verfassungswidrig erklärt hatte. Allerdings wird zunächst keiner der hochrangigen Gefangenen unter der ersten Gruppe der Angeklagten sein, sagte Brigadegeneral Thomas L. Hemingway der New York Times: „Diese Fälle müssen vorsichtig vorbereitet werden, und das wird einige Zeit dauern, weil sie außergewöhnlich komplex sind.“

Menschenrechtsorganisationen kritisierten am Donnerstag die neuen Regeln, weil sie den Anklägern zu viele Möglichkeiten eröffnen, der Verteidigung vor Gericht Beweise und deren Herkunft vorzuenthalten. Gegenwärtig sitzen 395 Gefangene in Guantánamo ein – doch nur gegen einen kleinen Teil von ihnen sind überhaupt Verfahren geplant. Die anderen bleiben weiterhin ohne Anklage oder Verfahren eingesperrt.

BERND PICKERT