Kostensparer ganz schön kostbar

Ehrenamtlich sollte der „Normenkontrollrat“ für den Abbau von Bürokratie sorgen. Nun bekommen die Mitglieder als Erstes 160.000 Euro – Kritik von der Linken

BERLIN taz ■ Als die große Koalition vergangenen Sommer ihre neuen Bürokratiewächter installierte, geisterten große Summen durch den Bundestag. Die Union sah Einsparungen von 20 Milliarden Euro, die man der Wirtschaft durch Beseitigung von Informationspflichten bescheren könne. „Der Rat ist der Wachhund, der laut bellt, wenn der Bürokratieabbau nicht erreicht wird“, lobte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), den neuen so genannten Normenkontrollrat.

Ein halbes Jahr nach Einsetzung des Normenkontrollrats mit seinen acht renommierten Mitgliedern stellt sich heraus, dass die Entbürokratisierung zunächst Geld kostet: Der Rat soll 160.000 Euro jährlich erhalten – obwohl die Mitglieder ehrenamtlich und allenfalls in Teilzeit arbeiten. Nach Informationen der taz will das Kanzleramt jedes Mitglied mit rund 20.000 Euro jährlich ausstatten. In einem Papier von Kanzleramtsminister Thomas de Maiziere, das der taz vorliegt, heißt es: „Die Mitgliedschaft im Normenkontrollrat ist (…) ein Ehrenamt. Gleichwohl erhalten die Mitglieder“, geht es weiter, „eine pauschale Entschädigung.“

Mitglieder des Haushaltsausschusses bestätigten der taz auf Anfrage, dass die ehrenamtlichen Normenwächter eine pauschale Aufwandsentschädigung erhalten sollen. Roland Claus von der Linksfraktion bemängelte, dass mit den Räten eine völlig neue Kultur bei der Gesetzeskontrolle versprochen worden war. „Nun aber gibt es wieder die alte Leier – die Kontrolleure halten als Erstes die Hand auf“, so Claus gegenüber der taz. Die Bürokratieexpertin der FDP, Birgit Homburger, findet die Entschädigung unproblematisch. „Ehrenamtlich lässt sich diese Aufgabe nicht erledigen, Beträge von 20.000 Euro wären vergleichsweise günstig“, sagte sie der taz.

Die Kosten der Bürokratie einzudämmen ist der schwarz-roten Bundesregierung unheimlich wichtig. Angela Merkel siedelte die Wachhunde direkt bei sich im Kanzleramt an. Die reputierten Mitglieder sind zumeist bereits mit umfänglichen Pensionen ausgestattet oder sie kommen aus der Wissenschaft. An der Spitze des Rats steht der ehemalige Bahnchef Johannes Ludewig. Er hat im Kanzleramt ein Sekretariat – und zehn Mitarbeiter, die bei Bedarf aus den Ministerien herbeigerufen werden.

Die Bundesregierung hat offenbar einen erweiterten Begriff von „Ehrenämtern“. Bei der Rettung des Sozialstaats gilt das Ehrenamt, auch Bürgerarbeit genannt, als garantiert honorarfreie Tätigkeit, etwa um Alte zu pflegen oder Stadtteilarbeit zu machen. Auch der Bürger Ludewig und seine sieben Mitstreiter sind im ehrenamtlichen Einsatz – für ordentlich Honorar.

Ob der honorige Rat die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Der FDP-Abgeordneten Birgit Homburger etwa gehen die Kompetenzen des Normenkontrollrats nicht weit genug. Die Räte dürfen sich lediglich mit den Informationspflichten befassen. 78 verschiedene Meldungen muss die Wirtschaft an die Sozialversicherungen geben und 62 Auskünfte an Behörden, zum Beispiel für Statistiken. Birgit Homburger freilich will mehr. Sie möchte das Steuerrecht, die Arbeitsgesetze, das Sozialrecht und das Umweltrecht unter Beobachtung stellen – manche sagen: den Sozialstaat fleddern.

So zeigt sich, wieso der Bürokratieabbau, der seit den 60er-Jahren bei jeder Bundsregierung en vogue war, so kompliziert ist: Entweder man schafft ein zahnloses ehrenamtliches Gremium, das dann doch Geld kostet. Oder man richtet ein schlagkräftige und teure Truppe zum Bürokratieabbau ein – eine neue Bürokratie eben. CHRISTIAN FÜLLER