Schnelle neue Uniwelt
: Simulationen

Anything goes, das ist nicht nur ein Musical, sondern auch ein Topos der Wissenschaftstheorie. Darin versteckt sich so etwas wie die Anarchie der Methoden. Egal mit welcher Methode jemand zu seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen kommt – Hauptsache, sie sind systematisch, bilden Wirklichkeit möglichst adäquat ab und fördern Wissenswertes zutage. Nun gibt es eine drittes „alles ist möglich“, und diesmal gehört es in den Bereich der Wissenschaftspolitik: Wie auch immer ihr Forscher organisiert, wir finden’s cool. Hauptsache, es ist elitär, erfolgreich und fördert Erkenntnisse von Weltniveau zutage.

Das ist jedenfalls die Botschaft, welche die Politik mit der neuen „Research School for Simulation Sciences“ aussendet. Die RWTH Aachen und das Forschungszentrum Jülich in der Helmholtzgemeinschaft gründen die School und wollen die ersten – was sonst – Elitestudenten zum Herbst 2007 aufnehmen, um mittels Hochleistungsrechnern für diverse Wissenschaftsgebiete Vorgänge zu simulieren. Das gilt als eine der neuen angesagten Schlüsseltechnologien in der Wissenschaft, aber auch die Konstruktion der School ist rundum etwas Neues. Sie war zunächst eine Sturzgeburt. Im Mai vergangenen Jahres begannen die Gespräche, bereits am Montag also nach acht Monaten, wurde ein Vorvertrag der Beteiligten unterzeichnet. Und auch deren Zusammenstellung gab’s bisher so nicht: Es kooperieren, derzeit ganz ohne Nickligkeiten, der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und zwei Spitzeneinrichtungen der deutschen Wissenschaft, indem jeder brav sechs Millionen Euro als Anschubfinanzierung gibt. Obenauf legt auch der Präsident der Helmholtzgemeinschaft, Jürgen Mlynek, aus seinem Reptilienfonds für die strategische Entwicklung neuer Forschungsgebiete noch einmal sechs Millionen Euro. Sogar ein Unternehmen ist mit einer Stiftungsprofessur an Bord.

Wenn man sich ansieht, wie quälend lange die Wirtschaft mit der Gründung der European School of Management and Technology in Berlin gebraucht hat, ist die Aachen/Jülicher Neugründung atemberaubend. Und sie ist praktisch vogelfrei, so hat es zumindest für den Moment den Anschein. Die beiden Mutterinstitute lagern ihr wissenschaftliches Know-how in eine GmbH aus. Das macht sie von der Organisationsform her schneller und attraktiver für private Teilhaber. „Wenn Sie sich als Unternehmen an einem Projekt der Universität beteiligen, dann ist das kaum sichtbar“, sagte Burkhard Rauhut, Rektor der RWTH, „bei der Research School ist das ganz anders, weil sie überschaubar ist.“

Ist das alles nur schön und easy? Der Blick auf Studienordnungen und -gebühren zeigt, wo die Widerhaken sein können. Das Studienprogramm nämlich muss nicht genehmigt werden, wie Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) fröhlich verkündete. Auch das macht die Sache einfacher für die RWTH und die Jülicher Forscher. Nicht anders bei den Studiengebühren. Gibt es welche? „Wissen wir noch nicht“, kommt es achselzuckend zurück, „das kommt darauf an.“ Doktoranden, mit denen das Programm starten soll, werden nichts kosten; ausländische Masterstudierende vielleicht mehr, einheimische eventuell weniger, ließen die Institutschefs offen. Und die beiden Ministerialen aus Düsseldorf und Berlin, der Minister und der Staatssekretär, sie grinsten nur breit. Das ist die Kehrseite der Schnelligkeit, die öffentliche Transparenz leidet: Was die beiden Vorzeigeinstitute beim Supercomputing treiben, ist auch politisch eine Simulation. Sie probieren was und der Staat guckt mal, wo’s hingeht – ohne jede Sicherungsleine. Schnelle neue Universitätswelt. CHRISTIAN FÜLLER