Frachter verseucht englische Küste

Strandguträuber bereichern sich. Doch zur Ladung gehörten auch giftige Chemikalien

DUBLIN taz ■ Normalerweise hält sich um diese Jahreszeit niemand am Stand des kleinen Orts Branscombe in der südwestenglischen Grafschaft Devon auf. Doch seit sich herumgesprochen hat, dass 200 Container von einem verunglückten Frachter angespült worden sind, wimmelt es nur so von Strandguträubern.

Das in London registrierte Schiff „MSC Napoli“ war während des Sturms Donnerstagnacht 60 Kilometer vor der Küste in Seenot geraten, nachdem der Maschinenraum überflutet worden war.

Die 26-Mann-Besatzung wurde mit Hubschraubern evakuiert. Schlepper versuchten, die 62.000 Tonnen schwere „Napoli“ in den Hafen zu ziehen, doch kurz vor dem Ziel brach der Frachter auseinander. So beschloss man, ihn vor Branscombe auf Grund zu setzen und die 3.500 Tonnen Öl abzupumpen. Die Arbeiten werden durch den Wintereinbruch behindert.

Die Strandguträuber lassen sich von dem Wetter nicht abhalten. Von den rund 2.400 Containern sind bisher 200 angespült worden. Sie enthielten Autoersatzteile, Teppiche, Schönheitscreme, Schuhe, Golfschläger, Ölgemälde – alles Dinge, die man gebrauchen kann. Das Schiff hatte außerdem Motorräder geladen. 15 Stück sind inzwischen verschwunden. Ein Teil der Ladung wird bereits bei Ebay zum Verkauf angeboten – mit dem Hinweis, dass es sich um Frachtstücke der „Napoli“ handelt. Das kann die Verkäufer teuer zu stehen kommen, denn nach britischem Recht muss man Strandgut bei der Polizei melden.

Aber das Frachtschiff hat auch 158 Container mit giftigen Chemikalien an Bord, darunter Batteriesäure, Pestizide und Nickel. Der Gemeinderat befürchtet eine Umweltkatastrophe. Bislang wurden 200 Tonnen Öl angespült, Vögel sind verendet. Die Fischer bangen um ihre Einnahmequelle, denn die Restaurants der ganzen Region werden mit Krebsen und Hummern aus Branscombe versorgt.

Die Jura-Küste gehört zum Weltkulturerbe. Erst voriges Jahr hat die britische Regierung den Küstenstreifen und 31 weitere maritime Objekte zu hoch empfindlichen ökologischen Gebieten erklärt und Restriktionen für den Schiffsverkehr verhängt. Diese Maßnahme kam spät: Sie wurde bereits 1984 in einem Untersuchungsbericht empfohlen, nachdem der Öltanker „Braer“ vor Shetland gesunken war und eine Umweltkatastrophe angerichtet hatte. In Branscombe aber sind die Rettungsmannschaften optimistisch, das Schlimmste verhindern zu können. RALF SOTSCHECK