Wanzenalarm im Bundestag

Im Büro des Geheimdienstkontrolleurs Wolfgang Neskovic von der Linkspartei werden zwei Mikrofone entdeckt. Zum Abhören sollen sie aber nicht geeignet gewesen sein

BERLIN taz ■ Er ist der schärfste Kritiker im BND-Untersuchungsausschuss. Wolfgang Neskovic war der Erste, der den Außenminister wegen dessen Rolle im Fall Kurnaz angriff. Der Linkspartei-Abgeordnete ist aber auch Geheimnisträger. Er sitzt im Parlamentarischen Kontrollgremium, das nur vertraulich über die Nachrichtendienste informiert wird. Neskovic weiß also mehr als andere. Und er ist unbequem.

Entsprechend aufgeregt fallen die Reaktionen aus, als am Dienstag bekannt wird, im Bundestagsbüro des Linken seien Mikrofone gefunden worden. Hat ihn jemand abgehört? Nicht nur Linkspartei-Geschäftsführer Dietmar Bartsch spricht umgehend von einem „Skandal hoch drei, wenn das so wäre“. Der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz geht sogar noch weiter. „Das ist eine Riesensauerei“, empört er sich. „Wenn sich der Wanzen-Verdacht bestätigt, wäre das ein Skandal“, befindet auch der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Siegfried Kauder (CDU).

Wie die taz erfuhr, hatte ein Fernseh-Kameramann bereits am Freitag bei einem Interviewtermin zufällig ein verdächtiges Gerät entdeckt, das an einer Deckenlampe angebracht war. Allzu panisch reagierte Neskovic offenbar nicht: Erst nach dem Wochenende suchte er weiter. Am Montag wurde dann ein zweites Mikrofon entdeckt – und die Bundestagsverwaltung alarmiert. Der SPD-Politiker Olaf Scholz machte den Fund publik.

Die Nachricht lädt zu wildesten Spekulationen ein. Der Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums, Max Stadler (FDP), reagiert schnell: „Ich habe eine Sondersitzung einberufen“. Die anderen Parteien wollen sich auf keinen Fall vorwerfen lassen, den Mikrofon-Fund bei dem Linken nicht ernst zu nehmen – auch wenn Scholz mögliche „private Gründe“ ins Feld führt.

Der Betroffene selbst hält sich zurück. Zu den Berichten über Abhörmikros in seinem Büro sagt er: „Ich kann das nicht bestätigen.“ Für ihn gebe es „keinen verifizierten Sachverhalt“. Die vorsichtigen Äußerungen passen zum Stil des Abgeordneten und früheren Bundesrichters. Gerade weil er die Regierung in der Sache hart angeht, legt Neskovic Wert darauf, stets formal und juristisch korrekt zu formulieren. Aufgeregt zu beklagen, er sei abgehört worden, wäre womöglich nicht korrekt. „Im Moment“, sagte Obergeheimdienstkontrolleur Stadler der taz am Nachmittag, „sieht es so aus, als seien die Geräte nicht als Abhörgeräte einsetzbar gewesen.“ Die offizielle Mitteilung der Bundestagsverwaltung klingt wie eine Entwarnung: Eine Untersuchung habe „bisher ergeben“, dass es sich bei den gefundenen Gegenständen um „handelsübliche Mikrofone“ handle. „Mit den gefundenen Mikrofonen allein ist ein Abhören, Aufzeichnen oder Weiterleiten des gesprochenen Worts nicht möglich“, so die Bundestagspressestelle.

Eine Untersuchung der beiden Deckenlampen, auf denen die Mikrofone gefunden wurden, habe ergeben, dass sich dort nichts befand, was ein Abhören, Aufzeichnen oder Weiterleiten des gesprochenen Worts ermöglicht hätte. Ein Skandal hoch drei? Ulrich Maurer von der Linksfraktion sagt nun, wieder etwas ruhiger: „Unabhängig davon, ob mit den aufgefundenen Mikrofonen eine reale Abhörmöglichkeit verbunden war, steht die Frage, inwieweit Abgeordnete heutzutage vor derartigen Attacken geschützt sind.“

LUKAS WALLRAFF, JENS KÖNIG