Die Kuschelkapitalisten

Ortstermin: Wie eine große Immobiliengesellschaft ihr perfides Geschäft als hippen Lifestyle verkaufen will

Zuerst die gute Nachricht: Berlin wirkt laut einer kürzlich veröffentlichten Studie zum Image von Großstädten attraktiver als Tokio, Las Vegas und Hongkong. Und die schlechte: An den Mieten wird diese Aufwertung nicht spurlos vorbeigehen – besonders im längst von Marco-Polo-Reiseführern als „Szenebezirk“ etikettierten Prenzlauer Berg. „Die Preise dort werden schon bald Richtung 10 Euro kalt gehen“, sagt Rainer Bormann.

Er ist Vorstandschef der Immobiliengesellschaft Orco Germany, einer Tochtergesellschaft der Orco Property Group, die nach Prag, Warschau und Budapest nun Berlin für sich entdeckt hat: Orco Germany besitzt das riesige Wertheim-Grundstück am Leipziger Platz, direkt neben dem Potsdamer Platz. Hinzu kommen 22 Immobilien, die meisten davon in Prenzlauer Berg. „Das ist das absolut interessanteste Viertel für einen Immobilienentwickler“, sagt Bormann, selbst gebürtiger Ostberliner, der nicht müde wird, die kreative Kraft dieser Gegend und der ganzen Stadt zu rühmen – ganz so, als wäre die Mauer gestern erst gefallen: „Wir glauben felsenfest an Berlin, die absolut interessanteste Stadt Deutschlands.“

Beim Pressegespräch im ehemaligen Ku’damm-Hotel Haus Cumberland, heute im Besitz von Orco Germany, gibt Bormann sich als Kuschelkapitalist: „Wir möchten nicht als Finanzinvestoren gesehen werden, die Berlin aufräumen.“ Lieber spricht er von „Nachhaltigkeit“, „Verantwortung“ – und engagiert sich kulturell.

Im Rahmen der Berlinale wird Orco Germany im Hinterhof eines unsanierten Altbaus an der Fehrbelliner Straße in Berlin-Mitte eine große 20er-Jahre-Party schmeißen, inspiriert vom Stummfilm „Menschen am Sonntag“. Damit imitiert Orco Underground-Kultur, die dort bald keinen Platz mehr haben wird: Im Entwicklungsprojekt „Fehrbelliner“ entstehen „Flats, Lofts, Townhouses, Penthouses – alle in fünf verschiedenen Styles oder nach individuellen Vorstellungen ausgestattet“. Wer es sich leisten kann: Nachzulesen ist alles im als Lifestylemagazin getarnten Orco-Werbeprospekt Hidden Places – für 8 Euro. DENK