Wie aus der Pistole geschossen

Die Indianapolis Colts gewinnen den Superbowl gegen die Chicago Bears. Nach dem 29:17-Sieg im Finale gibt es zwei Heroen: Colts-Quarterback Peyton Manning und sein Coach Tony Dungy, erster schwarzer Football-Trainer, der so weit gekommen ist

„Er musste nicht unbedingt den Superbowl gewinnen. Er ist auch so einerder Besten aller Zeiten“

VON SEBASTIAN MOLL

Mehr als irgendwo sonst in den USA wird in guten Südstaaten-Familien Wert auf Höflichkeit und Anstand gelegt. Peyton Manning ist in Louisiana aufgewachsen, und so hat er von klein auf diese Regeln gelernt. Und mit Sicherheit war es nicht zuletzt diese Erziehung, die ihn dazu bewog, sich im größten Augenblick seiner Karriere zurückhaltend und bescheiden zu geben. „Die ganze Mannschaft hat gewonnen, nicht ich alleine. Ich bin nur stolz darauf, einer von den Jungs zu sein“, sagte er, als er im schweren subtropischen Regen von Miami stehend, sowohl den Superbowlpokal für seine Indianapolis Colts als auch die Trophäe für den wertvollsten Spieler des Finales entgegennahm.

Manning konnte es sich leisten, nicht zu prahlen, denn es war für jeden, der sich nur ein wenig mit Football auskennt, offenkundig, dass er eben nicht einer unter vielen war, sondern derjenige, der für Indianapolis den Superbowl gegen Chicago gewonnen hatte. Nach einem nervösen ersten Viertel stellte sich der Star-Quarterback auf die Verteidigung der Bears ein und brachte 25 seiner 38 Pässe zu ihren Empfängern – darunter ein brillanter Touchdown-Pass zu Reggie Wayne über 53 Yards, der dem furiosen Auftakt von Chicago den Schwung nahm und Indianapolis auf den Weg zu ihrem letztlich sicheren 29:17-Sieg.

Mit diesem Triumph hat Peyton Manning, der spätestens seit seiner herausragenden Saison 2004 neben Tom Brady (New England Patriots) als bester Quarterback der Liga gilt, endlich seinen lange überfälligen Titel gewonnen. Bis zu den Playoffs in diesem Jahr galt der 30-Jährige zwar als brillanter Spieler, der jedoch immer dann versagte, wenn es darauf ankam. Schon in seiner College-Karriere an der Universität von Tennessee fehlte Manning in Meisterschaftsspielen das Glück, und als Profi schien sich dieses Muster noch zu verstärken. So hatte Manning bei den Playoff-Niederlagen 2002 gegen New York und 2003 gegen New England zwei der schlechtesten Spiele seines Lebens abgeliefert.

Nachdem die Colts im vergangenen Jahr dann gegen Pittsburgh ausgeschieden waren, vergaß der wohl erzogene Mann aus New Orleans in seiner Frustration sogar seine gute Erziehung und meckerte lauthals über seine Offensivverteidiger, die ihn nicht ausreichend beschützt hätten. In diesem Jahr wendete sich jedoch das Schicksal für Manning – spätestens im Superbowl-Halbfinale gegen New England. Schon zweimal waren die Colts gegen den dreifachen Meister New England in den Playoffs rausgeflogen, die Männer um Mannings Erzrivalen Tom Brady entwickelten sich zu einem scheinbar unüberwindbaren Hindernis für die Truppe aus der mittelwestlichen Provinzmetropole. Doch am 21. Januar brachen die Colts den Bann, obwohl die Patriots zwischenzeitlich mit 21:3 in Führung gelegen hatten.

Der Hauptgrund für das Comeback war Manning, der entgegen alter Gewohnheiten einen kühlen Kopf bewahrte und in einem entscheidenden Spiel sein bestes Football zeigte. Dass die Colts am Sonntag Chicago so überlegen besiegten, lag indes ebenso an der Schwäche von Mannings Gegenüber auf der Quarterback-Position, Rex Grossman, wie an Mannings Souveränität. Grossman war schon vor dem Spiel als Achillesferse von Chicago angesehen worden, weil seine Leistungen während der Saison extrem schwankten. An manchen Tagen konnte Grossman mit den Besten der Zunft wie Manning und Brady mithalten, an anderen wiederum war er ein Totalausfall. Dennoch hielt Trainer Lovie Smith an ihm fest – eine Entscheidung, die er im Nachhinein möglicherweise bereut.

Grossman verstolperte Bälle und warf einen Fehlpass nach dem anderen, inklusive dem, der zum spielentscheidenden Touchdown für die Colts durch Kelvin Hayden führte. Manning machte es erheblich besser, wie auch dessen Coach, Tony Dungy. Genau wie seinem Quarterback haftete dem Colts-Trainer bis dato der Ruf an, dass er keine großen Spiele gewinnen kann. Seit 1980 ist Dungy Trainer, seit 1996 Cheftrainer einer NFL-Mannschaft. Schon von seiner ersten Mannschaft, Tampa Bay, wurde Dungy gefeuert, weil er zweimal in den Playoffs haushoch und unnötig verlor. In Indianapolis setzte sich das Playoff-Pech fort. Am Sonntag aber durchbrach Dungy gemeinsam mit Manning diesen Fluch. Und noch eine Hürde überwand Dungy mit dem Playoff-Sieg: Er wurde der erste schwarze Trainer in der 41-jährigen Geschichte der NFL, der einen Titel gewinnen konnte.

Bislang hatte Dungy über Rassismus im Football lieber nicht reden wollen. Nach dem Sieg brach es jedoch aus ihm heraus: „Ich bin so stolz darauf, der erste afroamerikanische Trainer zu sein, der den Superbowl gewonnen hat. Noch mehr als das aber sind Lovie Smith (Coach der Bears, d. Red) und ich nicht nur Afroamerikaner, sondern auch Christen. Wir haben gezeigt, dass man viel erreichen kann, wenn man den Weg des Herrn geht.“

Dungy wollte den Sieg weniger sich selbst gewidmet wissen als den vielen schwarzen Trainern, die ihrer Hautfarbe wegen keine Jobs bei einem Profiteam und somit eine Chance auf ein Meisterschaftsspiel bekommen haben. In Zukunft wird das hoffentlich weniger häufig passieren. Die Ausrede, dass schwarze Trainer weniger kompetent sind als weiße, das können Teambesitzer nach Dungys Erfolg nun nicht mehr verwenden.