Schluss mit aufsässig

Beim CSU-Neujahrsempfang in Egenhofen sind sie sich einig: Es muss endlich wieder Ruhe einkehren in die Partei

AUS EGENHOFEN HEIKE HAARHOFF

Es hat geschneit in Oberbayern, neun Zentimeter Neuschnee bedecken die kurvenreiche Straße. Dann und wann taucht hinter einem Hügel ein Landgasthof auf, in den Fenstern brennen Kerzen. Es ist eine Idylle aus Heimatfilmen, und die CSU in Egenhofen, gelegen auf halber Strecke zwischen München und Augsburg, hat sie konserviert. Bis hinein in ihren Versammlungsraum in der Sportgaststätte im Ortsteil Oberweikertshofen: an den Wänden Pokale, Bierkrüge und Andenkenteller. In der Luft Marschmusik, gespielt von der Blaskapelle Egenhofen. Neujahrsempfang der Partei.

„In der Ruhe liegt die Kraft“, sagt der Ortsverbandsvorsitzende zur Begrüßung. Es ist Mittwoch, der 24. Januar. Vor einer knappen Woche hat die bayerische Parteibasis den erfolgreichsten deutschen Ministerpräsidenten gestürzt und der CSU, glaubt man den Politikwissenschaftlern, eine ihrer bislang schwersten Krisen beschert.

Doch Georg Strasser, der örtliche CSU-Chef, 51 Jahre alt und im Hauptberuf Diplomingenieur, tut so, als sei der Sturm längst vorüber. Schließlich ist das sein sehnlichster Wunsch: „Wir Bayern haben ein Beharrungsvermögen“, sagt Strasser, „das uns nicht so schnell aus der Bahn wirft.“

Da kann es noch so drunter und drüber gehen. Es ist ja nicht nur der bisherige Regierungschef Stoiber, der ab Herbst ersetzt werden muss. Es braucht auch einen neuen Vorsitzenden, der die Partei wieder zusammenführt. Und der Streit zwischen den Rivalen Horst Seehofer und Erwin Huber, die um dieses Amt konkurrieren, ist festgefahren. Auch das neuerliche Krisengespräch an diesem Freitag in München (siehe Text links) könnte ergebnislos bleiben.

Wer soll’s werden?

Seehofer – Bundeslandwirtschaftsminister, eigenwilliger Quertreiber, die soziale Stimme der Partei, Liebling der Basis, glaubt man den Umfragen. Oder Huber – bayerischer Wirtschaftsminister, geachtet, aber nicht geliebt, dafür Favorit von großen Teilen der CSU-Führungsriege. Zudem Wunschkandidat von Stoiber, dessen rigiden Sparkurs Huber bereitwillig mitgetragen hat. Wie also wird die Basis, die doch jüngst gezeigt hat, dass sie durchaus eine eigene Meinung hat und die auch durchzusetzen versteht, sich diesmal positionieren? Beispielsweise in Egenhofen, 3.400 Einwohner, verteilt auf 25 Ortsteile und Weiler?

„Ach wissen’s“, sagt Hubert Ficker, 54, stellvertretender Kreisvorsitzender, „wir hier in Oberbayern sind neutrales Niemandsland.“ Die Wahlkreise von Seehofer und Huber lägen weit entfernt, auf regionale Loyalitäten brauche hier keiner der beiden Kandidaten zu hoffen. Und wenn man nicht noch ein bisschen nachbohren würde, dann wäre die Diskussion für ihn damit erledigt.

Denn Hubert Ficker möchte, wie die meisten im Saal, dass endlich wieder Ruhe einkehrt in der Partei. Ob es nun Seehofer wird oder Huber, nun ja, wenn sie sich denn überhaupt schon eine Meinung gebildet haben, dann fänden einige wohl Seehofer ganz okay. Weil sie ihn für sympathisch oder sozial halten, oder auch aus ganz pragmatischen Überlegungen heraus: „Wir brauchen jemanden in der Führungsspitze, der auf Bundesebene tätig ist“, findet etwa Hubert Ficker. Aber sich dafür einsetzen? Nochmal auf die Barrikaden gehen? Der Parteiführung klar machen, dass die Basis kein Stimmvieh ist? Dass sie sich nicht bieten lässt, was Ziel all der derzeitigen Krisenrunden und Hinterzimmer-Kungeleien ist: dass es am Ende nur einen einzigen Kandidaten für den CSU-Vorsitz geben soll. Und den wiederum soll der Parteitag Ende September – bittschön! – absegnen. So als wäre alles in Butter.

Ist es aber nicht. „Es gehört zum demokratischen Selbstverständnis der Partei, dass erst beim Landesparteitag abgestimmt wird, wer Landesvorsitzender wird, und nicht schon vorher“, sagt der 71-jährige CSU-Ehrenvorstand Ludwig Märkl weise. Aber soll man das öffentlich anprangern? Gar eine Mitgliederbefragung einfordern? Niemals. „Ich bin Delegierter auf dem Parteitag“, sagt Hubert Ficker. „Sollte es nur einen Kandidaten geben, dann hat jeder Delegierte immer noch die Möglichkeit, für oder gegen ihn zu stimmen.“ Er ist sehr genügsam geworden. Es gibt Gründe dafür.

Die Geschehnisse der letzten Wochen, die Wucht ihrer eigenen ungeahnten Macht, die sie da plötzlich gespürt haben, haben viele CSU-Mitglieder verunsichert. „Letzte Woche“, sagt zum Beispiel Georg Strasser, „habe ich kurz mal gedacht, der Mythos CSU gerät ins Wanken.“ Eine solche Situation möchte er nicht noch einmal erleben. Lieber verzichtet er auf Seehofer, seinen Wunschkandidaten. Seehofer kann nur etwas werden, wenn die Basis jetzt öffentlich Druck macht. Strasser weiß das, aber er fühlt sich nicht berufen dazu.

Jetzt reden schon Preußen mit

Bloß raus aus dem Rampenlicht, das ist die Devise, auch in Egenhofen. „Eine Schlammschlacht war das in den letzten Wochen, ein Kesseltreiben“, ereifert sich eine Frau um die sechzig am Tisch der katholischen Frauengemeinschaft, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Wir werden doch mittlerweile überall in der Republik verlacht.“

Dieser Eindruck kränkt die CSU-Mitglieder besonders. Viele von ihnen, besonders Ältere, erinnern sich noch an Zeiten, als Bayern, der Agrarstaat, vom Rest der Republik als vermeintlich rückständig belächelt wurde. Dann der Wirtschaftsboom, die Hightech-Offensive, das bayerische Erfolgsmodell. Die Zeit der Witzeleien und der Arroganz sei vorbei – dachten sie. „Und jetzt plötzlich“, klagt Uta Lucht, 63 Jahre alt und Bürgermeisterin aus der Nachbargemeinde Oberschweinbach, „gibt es Internetforen, in denen sich Hinz und Kunz dazu äußern kann, was für die CSU in Bayern angeblich gut ist“. Sogar Hamburger, hat sie beim Klicken durch die Foren festgestellt, würden sich neuerdings in die bayerischen Belange einmischen.

„Eine Ungehörigkeit“, zürnt auch Johann Huber, 60 Jahre und Sparkassendirektor in Maisach. „Mir san als Partei nichts anderes als ein Verein“, glaubt er, „und ein Verein regelt seine Sachen selbst.“ Weil das aber nicht respektiert werde, allen voran von – wie könnte es anders sein – den Medien, müsse die CSU jetzt Geschlossenheit zeigen: „Das ist unsere Stärke.“ Zweitrangig sei es da, wer den Parteivorsitz übernehme. „Huber und Seehofer, das sind beide ganz fähige Männer.“ Aber nur einer könne es werden, und deswegen müsse es möglichst bald eine Entscheidung geben.

Wie die aussieht, ist den CSU-Mitgliedern aus dem Ortsverband Egenhofen nicht völlig egal. Aber ein bisschen. Für ihren Geschmack ist es jetzt erst mal gut mit der Revolution.