Ruhepause für Katzav

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

In einem Punkt sind sich die Abgeordneten von Israels Knesset einig: Präsident Moshe Katzav muss zurücktreten. Peinlich berührt von seiner Rede am Vorabend kam eine Mehrheit des parlamentarischen Ausschusses gestern doch seinem Wunsch nach einer vorläufigen Beurlaubung nach. Das Argument, der unter dem Vorwurf der Vergewaltigung stehende Präsident solle möglichst schnell seiner Amtsgeschäfte entledigt werden, überzeugte die Zögerer. Eine Amtsenthebung würde mindestens sechs Wochen dauern und eine Dreiviertelmehrheit der Abgeordneten benötigen. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte am Dienstag angekündigt, das Staatsoberhaupt anklagen zu wollen.

Die vorläufige Beurlaubung gilt für drei Monate und kann für weitere drei Monate verlängert werden. Wenn das der Fall ist, würde Katzav ganze sechs Tage vor Ablauf seiner normalen Amtszeit Ende Juli abtreten müssen. In dieser Zeit werden die Amtsgeschäfte von Parlamentspräsidentin Dalia Itzik übernommen, die für Diplomatenempfänge die Residenz des Präsidenten nutzen kann.

Problematisch ist, dass gegen den Präsidenten keine Anklage erhoben werden kann, solange er nicht zurücktritt. Katzav kündigte allerdings an, einem Gerichtsprozess nicht im Wege zu stehen und auf seine Immunität zu verzichten, sollte der Oberstaatsanwalt nach der Anhörung noch immer beabsichtigen, eine Klage einzureichen.

Mit seiner aufgeregten Rede ans Volk am Mittwochabend verdarb es sich der Präsident mit seinen letzten Freunden. Zum ersten Mal bezog er öffentlich Stellung zu den Anschuldigungen, zwölf Mitarbeiterinnen sexuell genötigt und einige vergewaltigt zu haben. Bei seinem Rundumschlag gegen die Medien, die Polizei, den Oberstaatsanwalt und den gesamten Justizapparat blieb niemand verschont. „Selbst wenn der Staatspräsident eine reine Weste hat“, so kommentierte Gideon Levy in Ha’aretz, so „muss er allein aufgrund dieser Rede zurücktreten“.

Er sei von der Polizei in die Schusslinie genommen worden, schimpfte Katzav wild gestikulierend von der Bühne. Sie habe „gemeinsame Sache mit den Medien“ gemacht. Als der Reporter eines Fernsehkanals aufstand, um zu widersprechen, brüllte der Präsident: „Jetzt rede ich, jetzt wirst du mir zuhören.“ Er wetterte von einer „Hexenjagd“ und von einem „Lynchmord der Medien“ durch eine gezielte Kampagne, bei der die „lügnerische Berichterstattung jedes Haus in Israel erreichte“. Von seinen Gefühlen überwältigt und unter Tränen sprach er von seiner „glücklichen Ehe mit Gila“, die seit 37 Jahren seine Frau ist und offenbar fest zu ihm steht. Um seine Unschuld zu beweisen, will er nun „bis zum letzten Atemzug kämpfen“. Ein Rücktritt käme der „Kapitulation vor den Lügen“ gleich.

Aktuelle Umfragen zeigen, dass 71 Prozent der Bevölkerung Katzav nicht länger im Amt sehen wollen. Avi Dichter, Minister für innere Sicherheit, forderte eine Entschuldigung Katzavs bei den „28.000 Beamten, die Tag und Nacht im Einsatz sind“. Immer enger zieht sich nun der Strick um den Hals des höchsten Mannes im Staat. Dabei kommen die schärfsten Kritiker ausgerechnet aus seiner politischen Heimat, dem Likud. „Jeder andere Bürger, gegen den ein solcher Verdacht besteht, wäre längst vor Gericht gestellt worden“, meinte Exerziehungsministerin Limor Livnat (Likud). Ihr Parteifreund Gideon Saar nannte Katzavs Beurlaubungswunsch einen „schrecklichen Witz“.

Unmittelbare politische Folgen wird die Staatsaffäre nicht haben. Der Präsident erfüllt vor allem repräsentative Aufgaben. Abgesehen von Begnadigungen sind seine Befugnisse minimal. Katzav gilt zudem als eher farbloser Staatsmann, der im Gegensatz zu seinen Vorgängern im Amt politische Stellungnahmen immer vermied.