„Das Kosovo muss unabhängig werden“

Der grüne Europaabgeordnete Jost Lagendijk fordert von der EU so schnell wie möglich eine eindeutige und einheitliche Position zum Kosovo. Zu serbischen Enklaven in der mehrheitlich von Albanern bewohnten Provinz sieht er keine Alternative

INTERVIEW DANIELA WEINGÄRTNER

taz: Herr Lagendijk, Sie haben gestern eine Resolution des EP zum künftigen Status des Kosovo eingebracht. Was bezwecken Sie damit?

Jost Lagendijk: Wir wollen deutlich machen, dass am Ende aller Verhandlungen nur ein Ergebnis stehen kann: Unabhängigkeit für das Kosovo.

Martti Ahtisaari, der Kosovo-Beauftragte der UNO, arbeitet an einer Empfehlung für den zukünftigen Status des Kosovo. Warum haben Sie mit Ihrer Stellungnahme nicht gewartet, bis sein Bericht vorliegt?

Für das Europäische Parlament wäre es nicht gut, sich hinter dem Ahtisaari-Report zu verstecken. Ein UN-Gesandter muss diplomatischer sein, muss zum Beispiel die russische Position berücksichtigen. Wir Europäer sollten klar sagen, wo wir stehen.

Es gibt einen Abschnitt in Ihrer Resolution, der Sprengkraft enthält: Serbische Enklaven sollen engen Kontakt zu Belgrad halten dürfen. Sind damit nicht neue Konflikte programmiert?

Es muss klar sein, in welchen Bereichen und mit welchen Finanzmitteln das erreicht wird. So müssen Beamte, auch wenn sie in einer serbischen Enklave arbeiten, aus dem Staatshaushalt des Kosovo bezahlt werden. Heute werden sie zu hundert Prozent von Belgrad finanziert – das ist inakzeptabel. Aber wenn Belgrad Schulbücher für die eigene Minderheit im Kosovo finanzieren will, ist dagegen nichts zu sagen. Es muss klar erkennbar sein, wer für was bezahlt.

Ist das nicht blauäugig? Würde der von Ihnen vorgeschlagene Weg nicht zu neuen kleinen Enklaven innerhalb eines ohnehin schon sehr kleinen neuen Staatsgebietes führen?

Nach allem, was wir bisher aus dem Ahtisaari-Bericht wissen, wird er sieben oder acht serbische Enklaven vorschlagen – alle in der Nähe von Mitrovica. Gibt es denn eine Alternative? Wir wollen nicht, dass diese Leute aus ihrer Heimat nach Serbien vertrieben werden. Man muss sicherstellen, dass sie bleiben können und ihre kulturellen Rechte garantiert sind. Das kann Verbindungen zu Belgrad einschließen. Natürlich werden die kosovarischen Behörden damit nicht besonders glücklich sein, aber am Ende werden sie einsehen, dass es nicht anders geht. In 20 bis 25 Jahren, wenn Serbien und Kosovo Mitglieder der Europäischen Union sein werden, sind diese Fragen ohnehin bedeutungslos.

Was erwarten Sie vom Rat der Europäischen Regierungen?

Wenn Ende Februar der endgültige Ahtisaari-Bericht dem Sicherheitsrat der UN vorgelegt wird, sollte die EU eine einheitliche Position gefunden haben. Damit würde sie auch die europäischen Mitglieder im Sicherheitsrat stärken. Die EU tut sich aber schwer mit einer einheitlichen Haltung. Spanien und Zypern haben Angst, dass ein Präzedenzfall geschaffen wird.

Serbiens Premier Koštunica hat sich geweigert, den ersten Berichtsentwurf in Empfang zu nehmen.

Das zeigt, dass Koštunica die Realitäten nicht anerkennen will. Die Serben sind nicht begeistert darüber. Die Haltung von Präsident Tadić verstehen die Leute besser. Derzeit ist das alles Teil der politischen Auseinandersetzungen um eine mögliche neue Regierung in Serbien.

Hätte das Parlament mit seiner Stellungnahme nicht besser gewartet, bis die Regierungsbildung abgeschlossen ist?

Das klingt einerseits logisch. Andererseits hätte es die nötigen schmerzhaften Schritte nur noch weiter hinausgeschoben.