Die Stille vor dem Schmiss

Es wurde geschwiegen und spekuliert, bis endlich Gewissheit bestand: Der FC Bayern entlässt seinen Trainer Felix Magath. Die Nachfolge ist ähnlich spektakulär: Ottmar Hitzfeld übernimmt ab sofort

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Was für ein wunderschöner Tag. Kalte, klare Luft, die Sonne lacht, kein Wölkchen am bayernblauen Himmel. Doch die Idylle ist trügerisch. Um halb drei meldet der Sportinformationsdienst: Bayern trennt sich von Magath. Als Nachfolger im Gespräch: Ottmar Hitzfeld, von 1998 bis 2004 schon mal in Diensten des FC Bayern München.

So schnell kann’s gehen. Dienstagabend nach dem blamablen 0:0 gegen den Abstiegsaspiranten Bochum spricht Magath noch davon, dass man „nun nicht mehr von der Meisterschaft reden brauche“ – am Tag darauf hat er offenbar gar nichts mehr zu sagen. Anfragen der Journalisten weist er mit einem klaren „Nee!“ von sich.

Da war Uli Hoeneß kurz zuvor schon wortreicher: „Ich sage heute nichts.“ Sprach’s und lässt Dienstwagen und Reportermeute mit einem Gewitterwolkenstirnrunzeln hinter sich. Der ebenfalls gerne zu markigen Sätzen neigende Karl-Heinz Rummenigge verordnet sich selbst einen Maulkorb und lässt über den Pressesprecher ausrichten, dass er heute keine Sprechstunde hat. Keine O-Töne für die TV- und Radioteams: Offensichtlich gibt es in der Führungsetage des deutschen Meisters erhöhten Gesprächsbedarf – hinter verschlossenen Türen. Die Journalisten behelfen sich mit Volkes Stimme: Die Trainings-Kiebitze dürfen zahllose Mikros mit ihrer Schimpfe über alles und jeden füllen, die üblichen Verdächtigen kriegen ihr Fett weg: Poldi, Roque & Co, sogar Philipp Lahm war diesmal dabei. Derweil gibt es für die Versager von Dienstag Torschusstraining. Ohne Gegenspieler. Freie Schussbahn. Eine halbe Stunde lang. Ziemlich oft muss Co-Trainer Eichkorn mahnen: „Tor treffen!“ Magath steht mit Torwarttrainer Dreher ein halbes Spielfeld weit weg und schaut zu. Wortlos.

Die wohl entscheidenden Worte hatte er am Abend zuvor gesagt – vor laufenden Kameras: „Wir müssen uns darum kümmern, dass wir um die Plätze zwei und drei dabei sind.“ Die Meisterschaft abhaken. Knapp vier Monate und 15 Spieltage vor Saisonende. Bei fünf Punkten Rückstand auf die Spitze. Bei Bremer und Schalker Siegen am Mittwoch wären es acht Punkte. Na und? Beide Teams müssen noch in München antreten, und von Konstanz konnte man in den vergangenen Spielzeiten weder bei Werder noch bei Schalke reden. Doch bei Magath war schon die gesamte Saison über eine gewisse Gottergebenheit festzustellen. Man könnte auch von Resignation reden.

Es war eine Hinrunde der Ausreden. Da war zuerst die Müdigkeit der WM-Helden – von der anscheinend immer nur Münchner gepackt werden. Dann kamen all die allzu defensiven Mannschaften, die in der Allianz Arena nur hinten drinstehen und nicht mitspielen – wie seit Jahr und Tag. Dann die vielen, furchtbar anstrengenden englischen Wochen – die nicht nur Handball-WM-Teilnehmer mit sieben Spielen in neun Tagen lächerlich finden müssen. Und dann – endlich – die erlösende Winterpause mit dem selig machenden Trainingslager in Dubai, das irgendwie wirkungslos verpufft ist, wie die blutarmen Partien gegen Dortmund und Bochum eindrucksvoll vor Augen führten.

Die einzigen Spieler im Team, die noch Biss und Engagement vermitteln, sind Kapitän Kahn und Zugang Mark van Bommel. Sie sind auch diejenigen, die sich ausgiebig der Presse stellen. Auch hier geht die Schere zum Trainer auseinander. Während Magath den Titel ja schon aufgegeben hat, meint Kahn, „der FC Bayern kann ganz schnell mal ’ne Serie hinlegen“. Und van Bommel fügt an: „Wir wollen dem Trainer mit drei Punkten in Nürnberg helfen, damit es ruhiger wird.“ Es wird ruhiger werden um Magath. Denn um viertel nach vier erscheint die offizielle Presseerklärung des FC Bayern München: Ja, es stimmt. Magath muss gehen. „Wir bedauern diesen Schritt“, so Karl-Heinz Rummenigge. Aber man müsse auf die aktuellen Entwicklungen reagieren. „Die Sorge um die Qualifikation für die Champions League hat uns zur heutigen Entscheidung veranlasst.“ Und tatsächlich: Hitzfeld kommt. Schon ab Donnerstag. Es ist das spektakuläre Ende eines wunderschönen Tages.