Revolte am Rhein

AUS DÜSSELDORF KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

10.000 zornige Bergleute sind gestern vergeblich nach Düsseldorf gefahren. Mit schwarzen Luftballons und lauten Sprechchören protestierten die Kumpel vor dem NRW-Landtag gegen die Schließung ihrer Zechen – doch der Landeschef hörte ihnen nicht zu. CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der Adressat der Aggressionen, weilte wegen anderer Termine nicht in der Landeshauptstadt.

Rüttgers ist der Bösewicht für die Bergmänner, seit er in der Nacht zum Donnerstag den Kompromiss der großen Koalition für den Ausstieg aus der Steinkohle im Jahr 2018 wieder einkassiert und ein Ende der Förderung schon für das Jahr 2014 gefordert hatte. Man könne „erst ein Datum festsetzen, wenn man die Preise kennt“, hatte NRW-Regierungssprecher Andreas Krautscheid den Sinneswandel seines Chefs begründet. Rüttgers fürchtet, auf den Kosten für die Abwicklung der Kohle sitzen zu bleiben.

Noch Montag hatte Rüttgers den Bergleuten einen „sozialverträglichen“ Ausstieg ohne betriebsbedingte Kündigungen versprochen. Allerdings gehen selbst die von ihm und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) beauftragten Wirtschaftsprüfer von KPMG davon aus, dass bei einem Ende der Förderung im Jahr 2014 mindestens 4.200 Kohlekumpel auf der Straße stehen würden.

„Rüttgers handelt unverantwortlich“, rief der Steinkohle-Gesamtbetriebsratschef Ludwig Ladzinski den in Grubenkluft angereisten Kollegen vor dem Landtag zu. Der von der großen Koalition ausgehandelte Kompromiss gehe bereits „an die absolute Schmerzgrenze“ der Zechenarbeiter, sagte er. Wenn Rüttgers nun ein noch früheres Aus für die derzeit noch acht Bergwerke in Deutschland wolle, müsse er mit „Kampfmaßnahmen“ rechnen: „Wir sind noch nicht tot, wir leben noch.“

Die Bergbaugewerkschaft IG BCE hatte die Düsseldorfer Demo innerhalb weniger Stunden organisiert und rund ein Drittel aller deutschen Kumpel mit Bussen an den Rhein gefahren. Möglich war dies auch, weil der Arbeitgeber RAG die Proteste ausdrücklich billigte: „Wir hoffen auf ein Einlenken der Landesregierung“, sagte eine Unternehmenssprecherin der früheren Ruhrkohle AG.

Als Gastrednerin hatten die Bergleute die nordrhein-westfälische SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft eingeladen, die sich bis zuletzt für eine Fortführung des Kohleabbaus auch nach dem Jahr 2018 eingesetzt hatte. Sie versprach den Demonstranten, die SPD werde einem Ausstieg 2014 keinesfalls zustimmen, sondern weiter für die Option auf einen Sockelbergbau streiten.

Einen Termin für die nächste Verhandlungsrunde gibt es wegen des neuen Streits noch nicht. NRW-CDU-Fraktionschef Helmut Stahl brachte als Kompromiss zwischen der Rüttgers-Linie und den Beschlüssen der Berliner Koalition das Ausstiegsjahr 2016 ins Gespräch. Nach Auffassung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung könnte sogar bereits 2009 Schluss sein. Die Kumpel könnten ab dann Flöze und Stollen mit Steinen auffüllen, sagte Energieexperte Manuel Frondel: „So würden die Folgeschäden des Bergbaus minimiert.“