„Blut unter den Stadien“

Der Präsident der Internationalen Menschenrechtsliga, Sidiki Kaba,will anlässlich der Olympischen Spiele 2008 China unter Druck setzen

taz: Herr Kaba, noch ist uns das schreckliche Bild der Hinrichtung von Saddam Hussein gegenwärtig. Wie reagiert ein Gegner der Todesstrafe auf diese Exekution im Namen der Demokratisierung des Iraks?

Sidiki Kaba: Saddam Hussein hätte für alle Verbrechen gegen sein eigenes Volk vor Gericht gestellt werden müssen. Auch, damit so die Beihilfe bestimmter Staaten wie USA oder Frankreich geklärt würde, die ihn früher unterstützt hatten. Davon abgesehen, meinen wir: Die schockierenden Bilder dieser Hinrichtung haben die Frage der Todesstrafe ins Zentrum der internationalen Debatte gerückt. In den USA wird, ausgehend vom Fall Saddam Hussein, darüber gesprochen. Auch in arabischen Staaten könnte diese Diskussion den Weg zur Abschaffung der Todesstrafe ebnen.

Die arabische Welt und der Mittlere Osten ist einer der Schwerpunkte des Dritten Weltkongresses gegen die Todesstrafe in Paris. Stoßen hier die Gegner auf ein religiöses Hindernis, weil im Islam die Scharia für bestimmte Vergehen explizit die Todesstrafe vorsieht?

Die Diskussion über die Todesstrafe war bis zur Hinrichtung von Saddam Hussein in den arabisch-muslimischen Ländern meistens ein Tabu. Aber es soll jetzt nicht zu einer Diskussion kommen, in der es um „Islam kontra Menschenrechte“ geht. Ebenso wenig geht es um das Thema „Christentum und Todesstrafe“. Das sind falsche Debatten. Wir glauben, dass es sich hauptsächlich um eine politische Frage handelt. Das sehen wir ja auch in den Vereinigten Staaten oder in Japan, wo immer noch Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet werden.

Die meisten Hinrichtungen finden in China statt, dem Austragungsort der Olympischen Spiele 2008. Ist das eine Gelegenheit, den Druck zu verstärken?

Es handelt sich um eine außerordentliche Gelegenheit für die Welt, Einfluss auf die chinesische Regierung auszuüben, damit sie die Todesstrafe abgeschafft. Im Jahre 2003 schätzte man die Zahl der Hinrichtungen in China auf rund 10.000. Und die Exekutionen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, weil China die Anwesenheit ausländischer Beobachter nicht zulässt.

Können Sie sich vorstellen, dass Ihr nächster Weltkongress in China organisiert wird?

Das mutet heute völlig utopisch an. Aber weil wir Optimisten sind, wollen wir, dass das scheinbar Unmögliche in den Bereich des Möglichen rückt. Wir hoffen darum, dass in einigen Jahren China demokratisch geworden ist und diese barbarischen Praktiken aufgegeben hat. Die Internationale Menschenrechtsliga FIDH führt zu diesem Zweck eine weltweite Kampagne, damit alle Sportler, die an der Olympiade teilnehmen, wissen, dass man in diesem Land tausende von Menschen hinrichtet. Die Athleten sollen wissen, dass es unter dem Rasen der Sportstadien das Blut von Hingerichteten hat.

Bei Diskussionen über die Todesstrafe sagen manche, sie seien selbstverständlich dagegen, außer bei besonders abscheulichen Verbrechen oder Terroranschlägen. Was antworten Sie?

Es kann keine Ausnahmen geben beim Verzicht auf die Todesstrafe. Ich begrüße es darum, dass Frankreich dabei ist, das Verbot des Todesurteils in seiner Verfassung zu verankern mit dem Satz: „Niemand darf zum Tode verurteilt werden.“ Damit kann verhindert werden, dass nach einem Machtwechsel die Todesstrafe plötzlich wieder aktuell wird. In Peru will die neue Regierung für bestimmte Verbrechen die Todesstrafe wieder einführen. Was zuerst eine Ausnahme sein soll, wird dann Routine. Ich möchte darum zu bedenken geben: Ein abgeschlagener Kopf wächst nie nach! Eine unmenschliche und ineffiziente Rachejustiz hat noch nie die Gerechtigkeit gefördert. Wo die Todesstrafe praktiziert wird, gingen die Gewaltverbrechen nicht zurück.

INTERVIEW: RUDOLF BALMER

www.fidh.org