Halb auf’s Ganze

Im Sommer soll die „Frankfurter Rundschau“ auf Tabloid-Format schrumpfen – neben der Zusammenlegung von Regionalteilen wohl ihre letzte Chance, die Pleite abzuwehren

VON STEFFEN GRIMBERG

Es ist nicht überliefert, ob der Kölner Verlegerspross Konstantin NevenDuMont zu seinen Besuchen bei Papas Neuerwerb Frankfurter Rundschau zerkochte Azukibohnen im Gepäck hat. Besser wär’s, denn eine Kantine gibt es nicht, NevenDuMont junior ist zudem Makrobiotiker. Und sitzt nun im Beirat der FR, die der Familienverlag M. DuMont-Schauberg 2006 mehrheitlich übernommen hat.

Eigentlich bringt er noch eine ganz andere Qualifikation mit, doch davon will man in Frankfurt nicht allzu viel wissen. Im Sommer soll die „große“ FR auf’s handlich-kompakte Tabloidformat schrumpfen (siehe Foto). Konstantin NevenDuMont hat hier seine Erfahrungen, er war für Direkt verantwortlich, den hauseigenen Tabloidversuch in Köln. Doch Direkt wurde mangels Erfolg schon nach 16 Monaten wieder abgeblasen, und in der FR-Redaktion lehnt man jedwede Fraternisierungsversuche barsch ab: Für die Tabloidvariante der FR gebe es „kein Vorbild auf dem deutschen Markt“, nicht Springers Welt kompakt und schon gar nicht Billigvarianten wie Direkt oder die 20cent-Blättchen von Holtzbrinck.

„Das halbe Format ist keine Mogelpackung“, sagt FR-Geschäftsführer Karlheinz Kroke, und Köln Direkt sei „überhaupt kein Vergleich“. Die LeserInnen bekämen nach dem Formatwechsel „mindestens so viel wie vorher“. Das Minimum sind 56 Seiten überregional, das entspricht der heute 28 große Seiten starken Deutschlandausgabe. Die regionalen Versionen rund um Frankfurt sollen 72 bis 80 Seiten stark werden. Erste Entwürfe der neuen FR werden unter Verschluss gehalten, eine dennoch erspähte Titelseite sieht dann doch ein bisschen sehr nach Welt kompakt aus. Wirklich ernst wird es Mitte Februar, wenn die dann dritte Version des Tabloids vorliegt. Die soll dann nah am Endprodukt sein, sagt ein hochrangiger Redakteur, schließlich brauche man auch Zeit für die Vorbereitung.

Passieren tut auch jetzt schon so manches: Die strikte Trennung zwischen Nachrichten- und Politikredaktion ist passé, auch wenn daran traditionell „bis hin zur Langeweile“ durchgehalten wurde, wie es in Frankfurt heißt. Das passt zur Linie des von der Berliner Zeitung an den Main gewechselten Chefredakteurs Uwe Vorkötter, der die FR ein „Blatt für Melancholiker“ nannte und ihr nun Moderne einhauchen soll. Auch auf der Baustelle Regionalteile, wo Geschäftsführer Kroke „Notwendigkeiten sieht“, unangenehme Fragen zu stellen wie die, „ob wir nicht zu kleinteilig sind“, steht die neue Architektur: Nach taz-Informationen wird es künftig neben der überregionalen FR nur noch drei statt bisher sechs unterschiedliche Regionalteile geben – eine Ausgabe für Frankfurt/Stadt und jeweils eine für die Region nördlich beziehungsweise südlich des Mains.

So was spart, hier werden auch in den Redaktionen noch einmal 15 Stellen abgebaut. Insgesamt muss das seit 2001 von 1.650 auf nur noch 750 MitarbeiterInnen geschrumpfte Unternehmen sogar weitere 150 Stellen einsparen. „Die ganze Situation ist nicht befriedigend“, sagt Betriebsratschefin Ingrid Eckert. Der massive Druck der Belegschaft – im vergangenen Dezember wurde ein Warnstreik durchgeführt – habe aber noch Schlimmeres verhindert, und für’s Tabloid erwartet Eckert „Rückendeckung“, wenn das linksliberale Blatt „inhaltlich stabil bleibt“. Vertraglich ist die politische Ausrichtung abgesichert. Und die „Offensive 08“ betitelte Sanierung plus Formatumstellung – Kostenrahmen rund 13 Millionen Euro – gibt immerhin Planungssicherheit bis 2008.

Jetzt müssen nur noch diejenigen überzeugt werden, die auf die Formel form follows function abonniert sind: „Form und Inhalt hängen bekanntlich zusammen; auch wenn Sie geloben, dass es weiter ein liberales Blatt sein wird, befürchten wir, dass die Qualität deutlich leiden wird“, schreiben besorgte FR-Freunde aus Berlin im blatteigenen Blog: „Das Erscheinungsbild – und damit auch der Inhalt – wird sich dem einer Boulevardzeitung annähern. Und das wäre dann eine andere FR, die wir nicht mehr wollen.“ Doch es gibt auch – und laut FR weit mehr – positive Stimmen. Obwohl der Verlag eine LeserInnenbefragung zum Thema Tabloid versemmelte – die letzten Fragebögen kamen just an dem Tag an, als die Entscheidung für die Formatumstellung im Blatt verkündet wurde –, die Pro-Tabloid-Fraktion dürfte sich durchsetzen, schließlich ist im Mutterland des Kleinformats zu besichtigen, dass die Qualität nicht leiden muss. Der Independent, als schwächste der großen britischen Qualitätszeitungen in vielem mit der FR vergleichbar, hat sein Niveau locker gehalten. Die Auflage stieg mit der Formatumstellung 2003 um gut 15 Prozent – und hält sich bis heute in diesen Höhen.

Die FR hat ohnehin wenig andere Optionen: Ihre Auflage bröckelt weiter, Ende 2006 verkaufte sich das Blatt nur noch 150.062-mal am Tag (2005: 161.550), die noch entscheidendere Zahl der Abos sank auf 92.727 – ein Minus von über 11.000 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In der Branche ist zu hören, weder Springer noch die mächtige WAZ-Gruppe gäben der Tabloid-FR eine Chance – schließlich habe Neuinhaber DuMont vielleicht Geld, aber keine Ahnung vom überregionalen Geschäft und sein eigenes Tabloid-Kind Direkt nun mal versiebt.

Natürlich gehe die FR mit dem Schritt zum Tabloid voll auf Risiko, sagen auch FR-Mitarbeiter. Nur: „Wenn man der Pleite ins Gesicht geschaut hat, sieht man das anders. In Wahrheit haben wir doch nichts zu verlieren.“