„So viel Interesse wie nie“

Oliver Roggisch freut sich über den Handball-Hype. Er erwartet eine hartes Finale gegen Polen, bei dem die Schiedsrichter viel zulassen werden – was dem aggressiven Kreisläufer entgegenkäme

INTERVIEW ANDREAS RÜTTENAUER

taz: Herr Roggisch, haben Sie sich schon eine persönliche Strategie für das Finale gegen Polen zurechtgelegt?

Oliver Roggisch: Ich habe einen Trainer, der mir die Strategie vorgibt. Sicherlich kenne ich den Rückraum mit Karol Bielecki und Grzegorz Tkaczyk und den Kreisläufer Bartosz Jurecki, die mit mir in Magdeburg spielen, sehr gut. Ich weiß, was die Jungs so machen. Aber wir schauen nicht auf die Polen, wir schauen auf uns. Wir müssen unsere Fehler abstellen. Wenn wir das machen, dann wird es sehr schwer für die Polen.

Denken Sie noch an die Niederlage gegen Polen in der Vorrunde? Da haben Sie ja sehr emotional agiert. Zu emotional?

Nein, wir haben schlecht gespielt. Das hat mit Emotionen zunächst nichts zu tun.

Sie waren damals der Einzige, der von Bundestrainer Heiner Brand nicht als zu brav bezeichnet wurde. Haben Sie die anderen angesteckt mit Ihrem Engagement auf dem Feld?

Dafür haben wir einen Trainer, der da auch die richtigen Worte gefunden hat, der gesagt hat, das kann nicht sein, dass wir nicht an unsere Grenze gehen. Man hat ja gesehen, wie sich die Mannschaft entwickelt hat nach dieser Ansprache. Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass das an mir liegt.

Wie versuchen Sie sich mental auf das Endspiel am Sonntag vorzubereiten?

Wenn man auch nur irgendeinen Gedanken an die Goldmedaille zulässt, wenn man sagt, das werden wir schon irgendwie packen, dann wäre das der größte Fehler. Sicherlich ist es ein WM-Finale, und doch ist es ein Spiel wie jedes andere. Wir werden die Polen sicherlich nicht unterschätzen. Wir werden morgen Videos schauen, die bereitet Heiner vor. Ich selbst werde auf meinem Laptop auch noch einmal Videos schauen. Man versucht sich zu fokussieren auf dieses eine Spiel. Das ist das wichtigste Spiel in der Karriere der meisten von uns. Deshalb werde ich den Teufel tun und mich jetzt locker hängen lassen und sagen, dass das schon irgendwie klappen wird.

Sie wurden sehr hart angefasst von den Schiedsrichtern zu Beginn des Turniers. Haben sich die Referees an Ihre Spielweise gewöhnt?

Wenn es bei einer Weltmeisterschaft Richtung Finale geht, wird allgemein viel mehr Härte zugelassen. Auch die Franzosen haben im Halbfinale sehr hart gespielt. Das hat also nichts mit mir als Person zu tun. Ich denke, dass die Schiedsrichter im Finale viel mehr zulassen werden. Es ist der Kampf zwischen den zwei weltbesten Mannschaften, und da will ein Schiri sicher auch nicht zu viel Einfluss nehmen. Mir kommt das natürlich entgegen.

Wie hat die Mannschaft Heiner Brand in den letzten Wochen als Menschen erlebt?

In erster Linie ist er eine Respektsperson. Jeder Spieler hat Respekt vor seiner Leistung, die er schon als Spieler erbracht hat. Er ist natürlich auch ein Weltklassetrainer. Auch er steht momentan unter einer großen Anspannung. Dafür wirkt er relativ locker, fast schon gelöst. Sicherlich hat er auch Phasen, in denen er sehr konzentriert ist, vielleicht auch manchmal ein bisschen gereizt. Aber er ist seit Wochen mit der Vorbereitung auf diese WM so beschäftigt, dass man ihm diese Momente auch zugestehen muss. Insgesamt geht er sehr gut mit der ganzen Situation um.

Denken Sie schon an die unzähligen Fans, die die deutsche Mannschaft am Sonntag anfeuern werden?

Solche Gedanken habe ich nicht einmal irgendwo im Kopf. Ich muss mir Gedanken machen über das Finale. Wenn ich darüber nachdenken würde, wie andere feiern, wie ich vielleicht feiere, dann wäre ich hier fehl am Platz. Das darf ich gar nicht tun, ich will konzentriert bleiben und das Spiel gewinnen.

Aber die Mannschaft hat doch registriert, dass sie einen regelrechten Handball-Hype ausgelöst hat?

Man bekommt natürlich über die Medien viel mit. Wenn man das Fernsehen einschaltet, ist immer irgendwo Handball dabei. So viel Medieninteresse war noch nie. Es ist schön zu sehen, dass der Sport jetzt so in der Öffentlichkeit steht. Wir haben nun eine große Verantwortung. Und wenn wir es am Sonntag packen, dann wird es erst einen richtigen Hype geben.