„So werden Gegner von morgen gezüchtet“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer ist strikt gegen den Einsatz deutscher Tornado-Flugzeuge im Süden Afghanistans. Seine Sorge: Die Bundeswehr würde in Kämpfe der USA verwickelt, die er für „völkerrechtswidrig“ hält

taz: Herr Wimmer, Sie kommen gerade von einer Afghanistanreise zurück. Teilen Sie die Einschätzung, dass dort eine „Irakisierung“ stattfindet?

Willy Wimmer: Das kann man schon seit langem beobachten. Die Kampfhandlungen werden zunehmend von dem bestimmt, was man aus dem Irak kennt: Bombenanschläge, Selbstmordattentate. Und wie die Aufständischen im Irak werden auch die Taliban aus dem Ausland unterstützt: aus Saudi-Arabien, Pakistan, Jordanien, den Golfstaaten.

Die Lage verschlechtert sich zunehmend. Das ist auch ein Grund, warum die Nato deutsche Aufklärungsflugzeuge anfordert. Am Mittwoch entscheidet das Kabinett, danach der Bundestag. Sie sagen, mit den Tornados befänden sich deutsche Piloten „auf dem direkten Flug nach Den Haag“, also zum Internationalen Strafgerichtshof. Übertreiben Sie da nicht?

Die US-Truppen gehen unterschiedslos gegen die Zivilbevölkerung vor. Weil sie nicht unterscheiden können, ob es sich bei dem Kämpfer um einen Taliban handelt oder einen Stammesangehörigen, der traditionsgemäß mit seiner Kalaschnikow herumläuft. Unterschiedslose Kriegsführung ist ein eklatanter Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht. Wenn wir mit Aufklärungsmitteln dazu beitragen, dass Dörfer plattgemacht werden, hängen wir da mit drin.

SPD-Chef Beck behauptet, es gebe keinen deutschen Kurswechsel hin zur Militäroffensive. Die Tornados dienten dem Schutz der Bevölkerung.

Es ist besser, man betrachtet die Situation vor Ort, als in Deutschland Erklärungen abzugeben, die von der Wirklichkeit in Afghanistan nicht gedeckt werden.

Man kann also die stabilisierende Isaf-Mission der Nato nicht vom blutigen Antiterrorkampf „Operation Enduring Freedom“ im pakistanischen Grenzgebiet trennen?

Ich halte wenig davon, das eine und das andere Mandat zu betrachten und sich dann über einzelne Sätze und Kommata zu unterhalten. Die USA führen im Süden Afghanistans gegen die Paschtunen Kampfhandlungen durch, die den Grund dafür liefern, dass die Gegner von morgen herangezüchtet werden. Den Leuten bleibt nichts anderes übrig als zu kämpfen.

Würde ein Einsatz von Tornados im Süden auch die Bundeswehr im Norden gefährden?

Davor warne ich schon lange. Wenn wir uns im Süden gegen die Paschtunen einsetzen oder eingesetzt werden, gefährden wir das, was wir an Stabilität im Norden geschaffen haben, da die Paschtunen auch im Norden siedeln. Wir wollen doch nicht ganz Afghanistan dadurch in Brand setzen, dass wir einem solchen Mandat nachkommen. Zudem fällt auf, dass die USA selber über Aufklärungsfähigkeiten verfügen, aber keines ihrer Flugzeuge der Isaf unterstellt haben.

Ein Parteifreund hat Ihre Äußerungen als „nicht erträglich“ bezeichnet. Gefallen Sie sich in der Rolle des außenpolitischen Außenseiters?

Ich habe nicht das Gefühl, ein Außenseiter zu sein. Ich kenne die Fraktionsdebatten. Andere sehen das ähnlich kritisch wie ich.

Sie rechnen also noch mit hitzigen Bundestagsdebatten?

Die Bundesregierung wird an einem nicht vorbeikommen. Sie wird, wenn sie dem Parlament mit einem Vorschlag kommt, alle Unklarheiten ausräumen müssen. Dazu gehören auch die völkerrechtlichen Bedenken.

Sie wollen die deutschen Soldaten am liebsten sofort abziehen. Und das Land seinem Schicksal überlassen?

Was in Afghanistan nottut, ist Politik, ist Dialog mit den Stämmen. Genau das, was die Amerikaner nicht wollen. Ich war von Anfang an gegen den Einsatz in Afghanistan, weil die Taliban eine amerikanisch-saudische Schöpfung sind. Es macht keinen Sinn, gegen selbst geschaffene Bedrohungen anschließend die Bundeswehr einsetzen zu müssen.

INTERVIEW: WOLF SCHMIDT