Eine Million Stimmen gegen Gentechnik

Unterschriftenaktion zur Kennzeichnung von Fleisch und Milch von Tieren, die mit Genmais gefüttert wurden

BERLIN taz ■ „Wir fordern, dass Produkte von Tieren, die mit genverändertem Futter ernährt wurden, gekennzeichnet werden müssen“ – eine Million Unterschriften unter diese Petition hat Greenpeace gesammelt. Aneinander geklebt lassen sie sich mehrmals um das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel herumwickeln, wie die Umweltschutzorganisation gestern eindrucksvoll demonstrierte. Die Umweltorganisation weist damit auf eine Lücke im Gesetz über die Kennzeichnungspflicht für genveränderte Lebensmittel hin. Wenn zum Beispiel Kühe mit genverändertem Mais gefüttert werden, muss weder das Fleisch noch die Milch einen entsprechenden Hinweis tragen. 90 Prozent der in die EU importierten Gengetreide sind Mais und Soja, die als Tierfutter verwendet werden. 95 Prozent der Europäer selber entscheiden, ob sie genetisch manipulierte Nahrung zu sich nehmen oder nicht. 60 Prozent möchten keine Eier von Hühnern essen, die mit Genmais gefüttert wurden, zeigen Umfragen.

Einen Stapel Unterschriften nahm gestern der für Verbraucherschutz zuständige zypriotische EU-Kommissar Markos Kypriano symbolisch entgegen. „Wir zeigen damit, dass wir den Dialog zwischen der EU-Kommission und den Bürgern ernst nehmen“, teilte er den Greenpeace-Vertretern mit. „Die EU-Gesetzgebung basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen.“ Mehr ließ er sich nicht entlocken. Mit anderen Worten: Aus Sicht der EU-Kommission gibt es keine Belege, dass genverändertes Futter in den Organismus der gefütterten Tiere eingreift.

Greenpeace verweist dagegen auf zwei Studien. So wurde im Dezember 2005 eine Langzeitstudie bei Ratten abgeschlossen. Über zehn Jahre lang arbeiteten Experten der australischen Forschungsorganisation CSIRO an Gentech-Erbsen mit einer Resistenz gegen den Erbsenkäfer. Ratten, die mit diesen Erbsen gefüttert worden waren, bildeten Allergien und andere starke Immunreaktionen aus. Als die Forscher die Tiere einen Gasnebel mit Erbsenmehlpartikeln atmen ließen, bekamen viele Lungenentzündung. Da das Anti-Käfer-Gen aus einer Bohne stammte, die für Säugetiere gut verträglich ist, zogen die Forscher den Schluss, dass beim Einbau in eine neue Zelle Wechselwirkungen möglich sind. Die Zelle gewinnt nicht einfach die gewünschte Eigenschaft hinzu, sondern produziert möglicherweise im Zusammenspiel des neuen Gens mit den ursprünglichen Genen andere Stoffe. So ergab eine Studie mit Monsanto-Mais 863 bei den gefütterten Ratten Veränderungen in den Nieren und im Blutbild. Die zuständige EU-Behörde ließ den Mais dennoch als Futtermittel in der EU zu. DANIELA WEINGÄRTNER