Aktivisten machen Pause

Der italienische Ableger der linken Internetplattform Indymedia ist zurzeit abgeschaltet. Eine Neuordnung ist geplant. Was wird nun aus der Vorbereitung der Proteste vor dem G-8-Gipfel?

Selbst die Fehden im italienischen Fußball haben vor Indymedia nicht haltgemachtEs geht um Neuorientierung: Moderationskriterien werden ausgearbeitet

VON PETER NOWAK

Wer die Webseite http://italy.indymedia.org/ anklickt, sucht zurzeit vergeblich die bunte Mischung aus Videos, Fotos und Texten der verschiedenen sozialen Aktivitäten Italiens. Stattdessen informiert ein kurzer Text auf Englisch, Italienisch und Spanisch darüber, dass der italienische Ableger des Internetnetzwerkes Indymedia vor mehreren Wochen vom Netz genommen wurde.

Die MacherInnen haben eine Pause eingelegt, weil viele NutzerInnen die selbst geschaffenen Grundsätze des Internetnetzwerkes missachtet hätten: Statt selbstproduzierter Filme seien häufig schon veröffentlichte Zeitungsartikel gepostet und auf Fotos und Videos die Gesichter der AktivistInnen nicht unkenntlich gemacht worden. Selbst die aktuell eskalierenden Rivalitäten im italienischen Fußball haben vor Indymedia nicht haltgemacht: Der sizilianische Zweig musste bereits für mehrere Monate geschlossen werden, weil die Fanclubs zweier verfeindeter Fußballvereine die Plattform für ihre verbalen Fehden gekapert hatten. Die Indymedia-MacherInnen bringen es auf den Punkt: „Die Hintergrundgeräusche sind ohrenbetäubend.“

Ähnliche Probleme haben das Internetwerk Indymedia allerdings in der kurzen Geschichte immer wieder begleitet. Die ist eng verknüpft mit dem Aufstieg der globalisierungskritischen Bewegung. Sie begann 1999 beim Widerstand gegen das WTO-Treffen in der US-Metropole Seattle und erreichte beim G-8-Gipfel in Genua im Jahr 2001 ihren Höhepunkt. In diesen zwei Jahren sind auf allen Kontinenten Indymedia-Ableger entstanden. Nach den Protesten von Genua war Indymedia Italien weltweit bekannt geworden, weil die Polizei nach der Großdemonstration die Büros des Mediennetzwerkes stürmte und zahlreiche AktivistInnen schwer verletzte. Hat die Computerrevolution nun ihre Kinder gefressen?

Der deutsche Indymedia-Aktivist Pete sieht keinen Grund für diesen Pessimismus. „Indymedia Italien nutzt schließlich die befristete Pause zur Neuorganisation. Dazu gehört auch die Ausarbeitung von Moderationskriterien. Diese Debatte hat es im deutschen Indymedia-Zweig von Anfang an gegeben.“ Auch die technische Entwicklung habe Indymedia seiner Ansicht nach keineswegs überflüssig gemacht. „Indymedia spielte vielmehr eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Webblogs und Wikis.“ Allerdings betont Pete länderspezifische Unterschiede. Während in Mexiko an der Verschmelzung von Webblogs mit dem Indymedia-Netzwerk gearbeitet wird, werde in Deutschland „der Grundgedanke eines Grassroots-Mediennetzwerkes immer noch zu wenig verstanden“, so der langjährige Indymedia-Aktivist. Das werde sich seiner Meinung auch bei der Mobilisierung gegen den G-8-Gipfel im Juni 2007 in Heiligendamm wieder zeigen. „Die RepräsentantInnen der etablierteren linken Gruppen orientieren sich immer noch an den herkömmlichen Medien.“ An der Bewegungsbasis aber werde Indymedia sehr wohl genutzt. „Die AktivistInnen auf der Straße verstehen, dass Indymedia ihr Werkzeug ist, um ihre Erlebnisse und Berichte zu verbreiten.“

Darauf legt auch der Berliner Indymedia-Aktivist Sven Wert. „Indymedia ist kein digitaler Flugblattständer. Im Vordergrund steht nicht die Berichterstattung über Aktionen vor Ort.“ Er ist überzeugt, dass auch in diesem Jahr Indymedia-AktivistInnen mit ihren Laptops mitten im Geschehen sein werden. Wahrscheinlich werden dann auch Indymedia-AktivistInnen aus Italien vor Ort sein. Ob sie dann auch wieder Online sind, ist völlig offen. Den deutschen Indy-ModeratorInnen bleibt da nur das Prinzip Hoffnung: „Wahrscheinlich wird es erneut von null starten, sobald sich genug Leute gefunden haben, die das Projekt fortsetzen wollen.“ Trotz der selbstverordneten Ruhe macht man sich bei Indymedia Italien deutlich kämpferischen Mut für die Zukunft: „An die Totengräber aus den Mainstream-Medien“, steht auf der schwarzunterlegten Homepage, „Sorry, das Begräbnis ist abgesagt und eure Enthüllung verpufft.“