Regierung bröckelt

Noch bevor der neue polnische Verteidigungsminister ernannt wurde, trat gestern der Innenminister zurück

WARSCHAU taz ■ Die Personalwechsel in Polens Regierung gehen weiter. Gestern Nachmittag wurde Aleksander Szczygło, 43, bisheriger Kabinettschef von Präsident Lech Kaczyński, zum neuen Verteidigungsminister ernannt. Er übernahm das Amt von Radosław Sikorski, der am Montag seinen Rücktritt eingereicht hatte. Gestern Morgen war auch Innenminister Ludwik Dorn zurückgetreten. Als Grund nannte er „Meinungsverschiedenheiten“ mit Regierungschef Jaroslaw Kaczyński. Um welche strittigen Fragen es ging, ließ er ebenso so offen wie Kaczyński.

So bleiben nur Spekulationen. Im Falle Sikorskis könnte dessen gespanntes Verhältnis zu seinem ehemaligen Stellvertreter und heutigen Chef des Militärgeheimdienstes, Antoni Macierewicz, ausschlaggebend gewesen sein. Macierewicz sollte Polens Militärgeheimdienst auflösen und umstrukturieren. Gerüchten zufolge soll er sich aber auch für die Vergangenheit und das Privatleben Sikorskis interessiert haben. In der Presse tauchten plötzlich seltsame Berichte über Sikorski alias „Bastard“ auf. In den 80er-Jahren mutmaßte der Geheimdienst Polens, dass Sikorski im Exil vom britischen Geheimdienst angeworben wurde, und legte für ihn die Akte „Bastard“ an. Ob Sikorskis deshalb zurückgetreten ist oder wegen eines Streits über den künftigen Einsatz polnischer Soldaten in Afghanistan, ist unklar. Sikorski gab zu, Kaczyński gebeten zu haben, Macierewicz abzuberufen.

Auch die Gründe für den Rücktritt des Innenministers sind nebulös. Kaczyński habe von ihm Maßnahmen gefordert, die er für falsch halte, begründete Ludwik Dorn die Aufgabe seines Amtes. In der Vergangenheit war er von den Medien für seinen Umgang mit der Polizei kritisiert worden. So wurden Polizisten vom Innenministerium immer wieder als private Taxifahrer und Hamburger-Lieferservice eingesetzt. Nach Bekanntwerden des Skandals habe Dorn nur wenig Interesse an der Aufklärung gezeigt. Premier Kaczyński erklärte, dass es in den nächsten Tagen zu weiteren Rücktritten und Entlassungen kommen könne. GABRIELE LESSER