Grün-gelb regiert Gaza

Palästinenser feiern die Einheitsregierung von Fatah und Hamas. Doch der Vertrag von Mekka enthält auch Stoff für Streit

Von KARIM EL-GAWHARY

Eine Stadt ist aus dem Albtraum eines Bürgerkrieges erwacht. Wochenlang hatten sie sich in Gaza gegenseitig beschossen. Doch Donnerstagnacht nahmen die rivalisierenden jugendlichen Hamas- und Fatah-Kämpfer ihre Kalaschnikows, rannten auf die Straßen und feuerten Freudenschüsse in die Luft. Kurz zuvor hatten die arabischen Fernsehstationen den „Deal von Mekka“ verkündet, also die Einigung zwischen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem führenden Hamas-Politiker Chaled Meschal auf die Gründung einer gemeinsamen Regierung der Nationalen Einheit. Ein riesiges Volksfest begann. Gaza war beherrscht von Autokorsos. Friedlich wurden nebeneinander gelbe Fatah- und grüne Hamas-Fahnen geschwungen. Sogar auf eine einzige Stange gebunden waren die Flaggen zu sehen.

Auch 1.300 Kilometer Luftlinie in Richtung Süden entfernt, im saudischen Mekka, war den Hauptakteuren dieses Abends die Erleichterung anzusehen. Noch am Dienstag hatten Abbas und Meschal bei ihrer Ankunft geschworen, die heilige Stadt nicht ohne ein unterschriebenes Abkommen zu verlassen, jetzt erklärte Meschal „die finsteren Tage“ für beendet. In einer Zeremonie in einem Palast mit Blick auf die Kaaba verkündeten sie mit dem saudischen König Abdullah das in zwei Tagen ausgehandelte Abkommen.

Echo im Ausland verhalten

Beide Seiten sind übereingekommen eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Der bisherige, der Hamas zugehörige Premier Ismael Hanijeh wird auch der neue palästinensische Ministerpräsident. Die Fatah wird einen Vizepremier nominieren. Alle strategischen Ministerien werden von unabhängigen Kandidaten besetzt. Neuer Außenminister wird der unabhängige Siad Abu Amr, früher Kulturminister. Er löst den Hamas-Hardliner Mahmud Sahar ab. Das Finanzressort erhält Salam Fajad von der Partei des dritten Weges. Unabhängige Kandidaten werden 5 weitere Ämter besetzen. 3 davon werden von der Hamas, 2 von der Fatah bestimmt. Von den verbleibenden Ministerien erhält die Hamas 9 Posten, die Fatah 5.

Eine der noch offenen wichtigen Punkte ist die Frage, wer Innenminister wird. Weil der die verschiedenen Sicherheitskräfte unter seinen Fittichen hat, ist das ein entscheidender, mit Macht ausgestatteter Posten. Der neue Minister wird mit der undankbaren Aufgabe betraut werden, den Sicherheitsapparat zu reformieren und die verschiedenen de facto parteieigenen Milizen unter ein Dach zu bringen. Laut Abkommen soll die Hamas fünf unabhängige Kandidaten für das Ressort vorschlagen, von denen Abbas dann einen aussuchen kann. Namen wurden bisher nicht genannt. Dieses Amt zu besetzten dürfte eine der ersten Herausforderungen für beide Seiten sein und ein erster Anhaltspunkt dafür, wie ernst es ihnen mit der Umsetzung des Abkommens ist.

Unklar ist auch noch, wie die neue palästinensische Regierung ihr Verhältnis zu Israel definiert. Die Hamas hat Israel in Mekka nicht explizit anerkannt, kann sich nun aber nicht mehr im Alleingang, sondern wegen der Einheitsregierung nur gemeinsam mit der Fatah in dieser Frage bewegen. Abbas forderte denn auch in einer kurzen Rede nach der Unterzeichnung des Abkommens, dass die neue Regierung – also auch die Hamas – die bisher zwischen der PLO und Israel unterzeichneten Verträge „respektiert“. Israel hatte bisher immer gefordert, dass die Hamas diese „anerkennt“. Die Hamas selbst hat sich dazu bisher nicht offiziell geäußert. Die Klärung dieser Frage dürfte einer der ersten Tagesordnungspunkte der neuen Regierung sein – und gleichzeitig die erste große Zerreißprobe. Davon abhängig ist auch, wie die USA und Europa ihre künftige Zusammenarbeit mit der neuen palästinensischen Regierung gestalten und ob der bisherige politische und finanzielle Boykott beendet oder aufgeweicht wird. „Die internationale Gemeinschaft muss unser Abkommen respektieren“, forderte Meschal in Mekka.

Im Gegensatz zur Partystimmung in Gaza blieb das internationale Echo eher verhalten optimistisch. Das US-Außenministerium dankte dem saudischen König Abdullah für seinen Einsatz, hieß das Abkommen aber nicht explizit willkommen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte die Einigung dagegen. „Ich hoffe, dass damit die blutigen innerpalästinensischen Auseinandersetzungen ein Ende haben“, sagte er. „Die Gewalt gegen Israel muss ein Ende haben.“ Der von dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas begonnene Dialog mit der israelischen Regierung müsse fortgesetzt werden.

Aus EU-Kreisen verlautete, es sei noch zu früh, um den Boykott der Hilfszahlungen an die Autonomiebehörde zu beenden. Zunächst müsse die neue Regierung die Bedingung erfüllen, Israel als Friedenspartner zu akzeptieren. Positivere Signale kamen aus Paris. Nach mehreren Wochen blutiger Konflikte könnten die Parteien nun ihre Feindschaft überwinden und sich hinter einer Regierung der nationalen Einheit sammeln, erklärte Außenminister Philippe Douste-Blazy.

In einer ersten Antwort aus Israel erklärte der israelische Sicherheitsminister Avi Dichter, man sei „auf dem richtigen Weg“, aber wenn die Palästinenser die Anerkennung Israels und den Gewaltverzicht nicht als Bedingungen akzeptieren, „stecken wir in den gleichen Problemen fest“.

Krawall am Tempelberg

Gestern kam es nach dem Freitagsgebet in der Jerusalemer Al-Aksa-Moschee zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Demonstranten und der israelischen Polizei. Dabei wurden nach Angaben der Polizei 17 Demonstranten und 15 Beamte verletzt. Die Palästinenser hatten gegen umstrittene Ausgrabungsarbeiten im Umfeld der Moschee protestiert. Sie befürchten, die Arbeiten könnten das Fundament der Moschee beschädigen. Israel argumentiert, dass mit den Arbeiten Kunstwerke gerettet werden sollen, die durch den Bau einer Fußgängerbrücke zur Moschee gefährdet seien. Die Gefahr, das Fundament zu beschädigen, bestehe nicht. Die rund 1.400 Jahre alte Moschee ist die drittwichtigste islamische Stätte.