Kriminelle Energie

Warum das torlose Unentschieden von Mönchengladbach gegen Aachen kein Zufall ist

MÖNCHENGLADBACH taz ■ Zehn Minuten waren noch zu spielen im Bundesligakeller, als sich das ganze Elend von Borussia in einer Szene verdichtete. Ein langer Pass flog zu Nando Rafael, voller Eleganz brachte der den schwierig zu stoppenden Ball unter Kontrolle, hübsch sah das aus. Doch jetzt, im Strafraum, wo man einen Spieler bräuchte, der etwas Besonderes macht, da war der Ball schon wieder verstolpert. Die Borussen sind feine Techniker, sie kämpfen auch, „aber eben nur bis zum Sechzehner“, befand Jos Luhukay nach seinem ersten Heimspiel als Trainer des Klubs. „Dann fehlt die letzte Entschlossenheit, der letzte entscheidende Pass, der letzte Abschluss.“

Immerhin ist die bleierne Lähmung der letzten Heynckes-Wochen verflogen im Borussia-Park zu Mönchengladbach, die Mannschaft wirkte sogar befreit, sie ist mutiger, defensiv stabiler, nur die hartnäckigste Krankheit – der Mangel an Durchschlagskraft – bleibt. „Ich mag den Geist der Mannschaft, sie rennen, sie kämpfen, wir sind jetzt das dritte Spiel ohne Gegentor“, formulierte Kasey Keller die Sicht eines Torhüters, doch die Tatsache, dass kein Tor fiel gegen Aachen, hinterließ ein Gefühl der Ratlosigkeit. Als die Partie zu Ende war, blieb die Fankurve still. Kein Applaus, keine Pfiffe, die Masse verharrte in einem Zustand emotionaler Leere.

Denn die letzten Trümpfe sind ausgespielt. Einzig die Rückkehr des verletzten Oliver Neuville könnte noch weitere Schubkraft von außen liefern, im Kern aber müssen diese Spieler mit diesem Trainer den Klassenerhalt schaffen. „Es wird ganz schwer“, sagte der erneut starke Peer Kluge, der großen Anteil daran besaß, dass Mönchengladbach mehr Ballbesitz hatte, mehr Flanken schlug und doppelt so viele Ecken herausspielte als Aachen. Torgefährlicher war trotzdem die Alemannia. Deshalb war Jan Schlaudraff, der einmal die Latte traf und zwei weitere gute Möglichkeiten vergab, nachher auch ziemlich verärgert. „Zu wenig“, sei dieser Punkt, sagte der gefährlichste Offensivspieler auf dem Platz, der immerhin hofft, dass dieses erste Spiel ohne Gegentor seit Anfang November „eine Trendwende“ markiert. Aachen stand logischerweise sehr kompakt, nachdem „Manager, Trainer und Mannschaft ganz eng zusammengerückt“ sind, wie Trainer Michael Frontzeck erzählte.

Vielleicht war diese Entwicklung beim Gegner Hauptursache für die Probleme der Borussia. Ebenso gut könnte aber der Effekt des Trainerwechsels schon verpufft sein. Solche Leistungen wie jene gegen den Rivalen aus der Nachbarstadt gab es auch unter Heynckes regelmäßig. Nach sechs sieglosen Heimspielen und nur acht geschossenen Toren im Borussia-Park während der gesamten Saison sind es ziemlich vage Hoffnungen, die Gladbach hegt. Etwa die vermeintlich günstigere Ausgangslage in Auswärtsspielen. „Da müssen wir das Spiel nicht machen“, sagte Kluge vor dem Hintergrund des Sieges von Bielefeld vor Wochenfrist.

Die Partie gegen Aachen ließ aber auch Raum für die Vermutung, dass der immens teure Kader dieses Klubs schon ganz richtig einsortiert ist dort mitten im Abstiegskampf. Und wie es so ist im Umfeld der Verlierer am unteren Ende eines Tableaus, wuchert mitunter kriminelle Energie: „Wenn wir schon nicht klar gewinnen können, dann müssen wir eben einmal einen Sieg stehlen“, schlug Torhüter Kasey Keller vor. Alemannia Aachen hat sich mit Leidenschaft gewehrt, die nächsten Opfer sollen Dortmund und Bremen werden.

DANIEL THEWELEIT