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: Sotschi auf Olympiakurs: Putin wirft den Skilift wieder an

Russlands Präsident ist nicht zu beneiden. Ob geborstene Heizrohre im Fernen Osten oder in der Hochsaison streikende Skilifte – der Präsident muss immer ran. Wird es den Bürgern einmal zu bunt, fordern sie von ihm, doch endlich mal ein Machtwort zu sprechen. Zuletzt musste der Kremlchef als Schlichter in Krasnaja Polana (KP) eingreifen. Seit er seine Leidenschaft fürs Skilaufen offenbarte, avancierte die „schöne Lichtung“ in der Nähe Sotschis zum angesagten Wintersportort.

Sonst eher leidenschaftslose Oblomows aus allen Verwaltungsebenen wechseln den Diwan gegen abschüssige kaukasische Pisten. Wo sich vor kurzem Fuchs und Hase gute Nacht sagten, hat die Welt des Après-Ski Einzug gehalten. Noch vor den Sporteinrichtungen – versteht sich. Für die begleitenden Damen, denen die Bretter nicht die Welt bedeuten.

Sotschi las dem Präsidenten denn auch einen Wunsch von den Lippen ab. Es bewarb sich um die Austragung der Olympischen Winterspiele 2014. Und siehe da – der subtropische Kurort schaffte es sogar neben Salzburg und Pjöngjang unter die aussichtsreichsten drei. Demnächst wird die Kommission des Olympischen Komitees IOC zur letzten Inspektion erwartet.

Statt Bauarbeitern stapften indes erst mal Gerichtsvollzieher durch den Schnee. Beamte, die laut Europäischem Gerichtshof in Russland einer lichtscheuen Spezies angehören und nur in Sonderfällen tätig werden. Sie versiegelten alles, „was nach Tür oder Fenster aussah“, schrieb die Zeitung Moskowski Komsomolez. An einem Freitag erging das Urteil, vier Tage später war die Arbeit erledigt.

Selbst erfahrenen Russen verschlug die Schnelligkeit der Eingreiftruppe die Sprache. Ein Quantensprung in Zeit und Raum. Vor allem der Raum weckt Begehrlichkeiten und treibt die vorolympischen Immobilienpreise in die Höhe. Ins Fadenkreuz war Pjetr Fedin vom Skiliftanlagenbetreiber Alpika-Serwis geraten, dem einzigen Liftbetrieb vor Ort. Gegen Alpika lag ein Gerichtsbeschluss wegen Sicherheits- und Hygienemängel vor.

In den ersten Januarwochen, in denen Russland ausgiebig feiert, schauten dutzende Kommissionen vorbei, erzählt Fedin. Nach der 25. habe man nicht mehr mitgezählt. Auch vom vorbeiwedelnden Verteidigungsminister Sergei Iwanow hätten sich die Inspektoren nicht beirren lassen. Alpika protestierte daraufhin und stellte kurzerhand den Liftbetrieb ein. Cafés und Restaurants schlossen sich aus Solidarität an. Auch solche, die vorher noch patriotisch geworben hatten: „Hier speiste der Präsident.“ Und wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss dieser wieder selbst ran. Zwei Tage dauerte es, bis Putins Emissäre den Lift wieder zum Laufen brachten.

Fedin behauptet, hinter der Firma Ekotour, die ihn verklagte, steckten der Gouverneur des Kreises Krasnodar und dessen Stellvertreter. Dem Blatt Kommersant vertraute der bedrängte Liftbetreiber an, dass ihn Gouverneur Alexander Tkatschow vor drei Jahren schon in aller Freundschaft aufgefordert hätte, die Hälfte des Geschäfts freiwillig abzutreten. Er hätte abgelehnt, und seither solle er in den Bankrott getrieben werden. Zehn Hektar bestes Bauland zum Vorzugspreis fiele den Klägern dann in die Hände.

Und wenn Sotschi den Zuschlag für Olympia nun doch nicht erhält? Das macht gar nichts, denn schon die Bewerbung hat sich gelohnt. Nach Berechnungen russischer Korruptionsforscher versickert ein Drittel aller öffentlichen Mittel gesetzmäßig in den Taschen Unbefugter. Entscheidet sich das IOC für Sotschi, vergibt die öffentliche Hand unter der Hand rund 3 Milliarden Euro.

KLAUS-HELGE DONATH