der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… schaut gern nach vorn und will nicht gedenken, jedenfalls nicht der während des Naziregimes inhaftierten und ermordeten Homosexuellen. Auch wenn es derzeit eine Debatte um ein Homo-Mahnmal gibt. Nämlich darüber, ob mit dem geplanten Gedenkzeichen auch homosexuelle Frauen repräsentiert sein sollen oder nicht. Angezettelt wurde die Diskussion von Emma, nur widerwillig haben sich die Männer darauf eingelassen. Noch scheint der Streit nicht entschieden, auf jeden Fall erregt er überhaupt kein mediales Interesse über die Gemeinde der Gleichgeschlechtlichen hinaus.

Aber auch die Schwulen selbst haben nie Anteil genommen am Schicksal ihrer Vorfahren. Die Schwulenbewegung der Siebzigerjahre eroberte sich den rosa Winkel als emaillegefertigten Erkennungsbutton, die damit verbundene KZ-Geschichte der Homosexuellen blieb seltsam unberührt. Für die überleben- den Rosa-Winkel-Häftlinge setzte sich niemand sichtbar ein, keine Bewegung ging dafür auf die Straße. Einzig um sich einzumischen in den Diskurs der Herrschenden, gab man die Mitleidsnummer mit dem rosa Winkel.

Diese Ignoranz korrespondierte mit der Nichtbeachtung dieses Teils deutscher Geschichte durch jede Bundesregierung. Erst im Dezember 2003 beschloss der Bundestag, den im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen ein Denkmal zu errichten. Dem war ein jahrelanges Gerangel um die verschiedenen Gedenkorte für die verschiedenen Opfergruppen vorausgegangen, die einen wurden gegen die anderen ausgespielt, ein neuerlicher Versuch, das eigentliche Verbrechen an den Juden zu relativieren. Übrigens: Die Liste der Prominenten, die sich für ein Homo-Mahnmal ausgesprochen hatten, war lang. Homo-Prominenz darunter? Fehlanzeige.

Der jetzt geplante Mahnmalentwurf ist abgeguckt beim Eisenman’schen Stelenfeld im Tiergarten gegenüber auf der anderen Straßenseite, so als wollten die Schwulen der Tatsache trotzen, nicht im Mahnmal für die ermordeten Juden Europas berücksichtigt worden zu sein. „Künstlerisches Zitat“ nennt man so was, dabei hat der gewöhnliche Homosexuelle längst die ästhetischen Qualitäten der Originalstelen für sich entdeckt. Wie das linke Schwulenmagazin Gigi enthüllt, präsentieren sich Schwule derzeit gern in ihren Steckbriefen für virtuelle Dating-Portale mit pikanten Posen im Stelenfeld. Mal halb, mal ganz die Hose runtergelassen davor, oder in Pin-up-Manier dagegen gelehnt, oder mit breitem Grinsen obendrauf. Die Stelen als dekorativer Hintergrund zur Präsentation schwulen Selbstbewusstseins. „Paragraphen wie ‚Störung der Totenruhe‘ oder ‚Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener‘ zählen für Schwule nicht, schon gar nicht am ‚ihre Opfer‘ ausgrenzenden ‚Juden-Denkmal‘ “ (Gigi).

Schwulen wird gern eine besondere Sensibilität zugesprochen. Geht es aber um den sensiblen Umgang mit ihrer Geschichte, schrecken sie zurück vor jedem Gefühl. Keine Anteilnahme, keine Verantwortung, keine Trauer. So als hätte es nie einen anderen gegeben vor ihrer Zeit. Schwule fürchten sich vor ihrer Geschichte, so als könnten sie wieder eingeholt werden von den Taten, die ihren Vätern und Großvätern geschahen.