Das Volk hat entschieden: In Portugal werden Abtreibungen erlaubt
: Erfolg mit Wermutstropfen

„Muitos parabéns“ – „Herzliche Glückwünsche“ – gebühren der portugiesischen Frauenbewegung. Dass sich die Befürworter einer Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs im Referendum durchsetzen konnten, ist auch das Ergebnis ihrer langen, beharrlichen Arbeit.

Zwar mobilisierte im streng katholischen Portugal auch dieses Mal wieder die Kirche für den „Schutz des ungeborenen Lebens“ – wie schon beim Referendum von 1998, als eine Mehrheit mit „Nein“ stimmte. Doch Portugal hat sich seitdem geändert. Viele Menschen machen heute ihre Haltung zu so umstrittenen Themen wie dem Schwangerschaftsabbruch nicht mehr von althergebrachten Glaubensdogmen abhängig, sondern von demokratisch fundierten Überzeugungen.

Die Frauenbewegung hat einen wichtigen Teil zu dieser Entwicklung beigetragen. Es ist ein Erfolg, der auch Frauen in Irland, Polen, Malta, Zypern und Liechtenstein Hoffnung machen sollte. Das ist die Achse jener EU-Länder, in denen die Abtreibung noch immer unter Strafe gestellt wird.

Auch dem portugiesischen Regierungschef José Sócrates gebührt ein Lob. Der Sozialist hat alles in die Waagschale geworfen, was er bei der Bevölkerung an Sympathien genießt. Das „Ja“ zum neuen Gesetz ist nicht zuletzt auch ein „Ja“ zu seiner Politik. Sócrates ist dies bewusst. Deshalb bringt er jetzt den Mut auf, ein nicht bindendes Referendumsergebnis im Parlament umsetzen zu lassen.

Mehr als 50 Prozent der 8,5 Millionen wahlberechtigten Bürger und Bürgerinnen Portugals hätten sich beteiligen müssen – dann wäre der Ausgang des Referendums für die Politiker verpflichtend gewesen. Es waren jedoch nur knapp 44 Prozent, die letztlich an die Urnen gegangen sind. Dies ist der Wermutstropfen, der die Freude über das Ja trübt. Während das Ergebnis an sich von einer Öffnung und einer Demokratisierung des Landes zeugt, das erst 1974 aus der Diktatur befreit wurde, muss die niedrige Wahlbeteiligung wiederum Sorgen um genau diese Demokratie wecken.

Immer mehr Menschen verlieren ganz offensichtlich das Interesse an der Politik – und das ist nicht nur in Portugal so. Kaum ein Thema wurde in der Vergangenheit so kontrovers und so ausführlich debattiert wie das Recht der Frau, frei über ihre Schwangerschaft zu entscheiden. Fast jeder dürfte im engeren oder weiteren persönlichen Umfeld einmal mit dem Thema Abtreibung konfrontiert worden sein – und dennoch bleibt ein Großteil der Bevölkerung zu Hause. Dies ist ein Ausdruck von Demokratiemüdigkeit, die Grund zur Sorge sein sollte – in ganz Europa. REINER WANDLER