Werden wir ein Volk von Hybridfahrern?

Erste Staatsdiener und Prominente in Deutschland entdecken klimaschonende Hybrids aus Japan. Sollten Politiker als Autofahrer neue Vorbilder sein?

Katrin Göring-Eckardt: „Wenn man über Verhaltensänderung reden muss, können Politiker nicht sagen, aber bei uns findet das nicht statt“

VON PETER UNFRIED

Noch vor wenigen Wochen mussten sich die Grünen-Politiker Katrin Göring-Eckardt und Boris Palmer als Vaterlands- und Wirtschaftsstandortverräter beschimpfen lassen, weil sie statt der üblichen deutschen Limousinen umweltfreundlichere Hybrids von Toyota als Dienstwagen geordert hatten. „Warum fahren Sie einen Japaner, Frau Vizepräsidentin?“, fragte Springers BamS und sammelte brav „Empörung“ (von CSU-Autolobbyisten-Politikern) ein. Das war früher. Inzwischen wirbt Bild für den „sauberen“ Toyota Prius.

Noch nie sei der Klimaschutz „so durch die Medien gegangen wie jetzt“, sagt Gerd Lottsiepen, Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland. Die Frage für ihn ist, ob das ein „Startpunkt für Nachhaltigkeit“ ist. Ein Schrittchen hin zu dem ist, was Klimaschützer und Grüne seit längerem beschwören: die wunderbare synergetische Verbindung von Umweltschutz und Industriepolitik. Palmer, 34, hatte als neuer Oberbürgermeister im schwäbischen Tübingen mit seinen diversen bei Daimler beschäftigten Bürgern bewusst ein Zeichen gesetzt, um auf eine Veränderung der öffentlichen Meinung über Verhaltenskodizes von Politikern hinzuarbeiten.

Angesichts der „größten Herausforderung der Menschheit“, wie selbst Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Klimawandel nennt, solle die Öffentlichkeit künftig von einem schwäbischen Schultes erwarten dürfen, dass er ein umweltfreundliches Auto fahre. Bis die heimische Industrie ein solches Auto baue, müsse man auf Japaner zurückgreifen, sagte er Ende letzten Jahres. Inzwischen argumentiert auch die Berliner Grünen-Spitze so.

Der Prius Hybrid ist ein schadstoffarmer Mittelklassewagen, der neben dem Benzinmotor über einen sich selbst aufladenden Elektromotor verfügt. Schadstoffausstoß: 104 Gramm CO2 pro Kilometer. Der Elektromotor bewegt das Auto bei niedrigen Geschwindigkeiten und ist damit speziell für den innerstädtischen Gebrauch wertvoll, weil er da nicht nur Sprit spart, sondern schadstoffarm und leise fährt. Nicht für Dauerautobahnfahrer, aber „ideal auch als Taxi“, sagt VCD-Lottsiepen.

Mal ganz abgesehen davon, dass Palmer meist Fahrrad oder Bahn fährt. Es ist eine der Strategien, die seit Jahren kursieren: Erst geht eine Elite voran, und dann ringt der klimawandelbewusste Konsument der bockigen deutschen Autoindustrie den Fortschritt ab, indem er ihr das Liebste vorenthält - sein Geld.

In den USA und speziell in Kalifornien haben sich Teile der Prominenz seit zwei, drei Jahren als klimabewusste Umweltavantgarde geoutet. Schauspieler wie Julia Roberts, Cameron Diaz und Leonardo DiCaprio holten sich einen Prius Hybrid, Kollege George Clooney gar ein emissionsfreies Elektroauto. Auch in der kalifornischen Mittelklasse sind der Prius und sein Konkurrent Honda Civic Hybrid längst verankert: In einem Collegetown kommt man keine fünfzig Meter weit, ohne einem Hybrid zu begegnen. „Hybrid Craze“ (Hybrid-Verrücktheit) lautet der mediale Fachbegriff.

Selbstverständlich ist das in Latino-Vierteln anders und der Verdacht hinreichend geäußert worden, in Kalifornien inszeniere eine Elite den Klimaschutz als Stilaccessoire. Zeit-Herausgeber Josef Joffe schrieb einmal sinngemäß, den Klimaangebern ginge es ja nur darum, als jemand zu gelten, der sich um die Umwelt sorge. Und wenn schon? „Entscheidend ist, was aus dem Auspuff rauskommt“, sagt Boris Palmer. Nämlich möglichst wenig Kohlendioxid.

Einen halben warmen Winter später bildet sich in Ansätzen ein Kreis der prominenten deutschen Hybridfreunde. Bestsellerautorin Eva Herman teilte soeben mit, sie gedenke von einem VW Touareg auf ein Hybridauto zu wechseln. Das ist eine Konversion, als wolle sie Emma-Chefin werden. Auch Fußballerfrau Sylvie van der Vaart (bisher BMW X3) will auf ein „hybrides Fahrzeug“ umsteigen. Dito Fernsehmoderator Markus Lanz (bisher BMW Z3). Schauspieler Sky du Mont glaubt laut Bild, er fahre bereits einen Hybrid. Demnächst soll es tatsächlich so weit sein.

Speziell die deutschen Schauspieler, sagt Peter Wandt, Toyotas Manager für Advanced Technology, „haben natürlich ein Äuglein auf Hollywood und Kalifornien“. Er denkt, dass Toyota speziell mit dem Oberklassen-Hybrid GS 450 H der 100-prozentigen Toyota-Tochter Lexus bei Prominenten wird punkten können.

Dieses Gefährt hat sich die Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt als Dienstwagen angeschafft. Sie ist damit die einzige deutsche Parlamentsrepräsentantin, die Hybrid statt Deutsch fährt. „Das Symbol ist wichtig“, sagt sie. Es sei aber mehr als ein Symbol, nämlich „real eine Verbesserung“.

Stimmt: Der Lexus (345 PS) ist mit 186g CO2-Ausstoß pro Kilometer angegeben, der übliche CO2-Ausstoß eines Bundestagsdienstwagens wird vom VCD auf etwa 270 g geschätzt.

Mal abgesehen davon, dass Toyota auch in Europa produziert wird und „deutsche“ Autos längst nicht nur von deutschen Arbeitern in Deutschland gefertigt werden: Dass der Hybrid als „Übergangstechnologie“ (Göring-Eckardt) auf dem Weg zu richtig guten Autos ein Markt ist, sahen die Deutschen bislang nicht bzw. sie sehen es jetzt. VW hat soeben Hybrids für Polo und Golf und, ähem, den Touareg angekündigt.

Selbstredend sind Energierevolutionen in anderen Bereichen – etwa bei der Stromerzeugung, der Stromvergeudung, beim Heizen und Wärmedämmen – teils erheblicher, um in einem ersten Schritt die Treibhausgase bis 2020 in Deutschland um 40 Prozent zu reduzieren. Im Grunde geht es vor allem auch um eine Art emotionale Alphabetisierung der Gesellschaft: Jeder weiß, was 220 km/h ist. Aber erst langsam dämmert es, was ein Flottenverbrauch von 120 g/km bedeuten würde. Vor allem auch: Kleinwagen. Etwa Toyota Aygo, Peugeot 107 oder Citroën C1 (je 109 g CO2/km). Im Prinzip – Erwin Huber wird es gehörig schütteln – ist die Zukunft: ein Land und ein Globus von Kleinwagenfahrern.

Selbstredend gibt es Nischenprodukte, die unter Klimagesichtspunkten noch viel besser sind, etwa das Twike. Die haben allerdings gegen die Werbemilliarden der Industrie keine Chance, und selbst der VCD verschweigt sie. Und, klar: Nicht Auto zu fahren ist immer noch besser als das umweltfreundlichste, was ja nur ein Euphemismus ist für: weniger umweltschädlich. Aber die Autoindustrie ist eine Schlüsselindustrie, und das Auto ist in Deutschland emotional aufgeladen wie kein zweiter Konsumartikel.

Die „großen Konzepte“, sagt Göring-Eckardt, seien das eine. Darüber hinaus aber sei ein Punkt erreicht, „wo man über Verhaltensänderung und individuell anderes Leben reden muss“. Und da „können die Politiker nicht sagen: Für uns findet diese Verhaltensänderung nicht statt.“ Göring-Eckardts Kollegen im Präsidium fahren große Oberklassen-Limousinen der deutschen Marken Mercedes, BMW und Audi. Daraus besteht auch die Fahrbereitschaft des Bundestages. Die Regierung steht auf Audi A8. Mittlerweile gibt es zarte Forderungen, die Politik möge auf umweltfreundlichere Autos umsteigen. Dagegen stehen starke Lobbys. Im Bereich der öffentlichen Beschaffung gibt es genug Möglichkeiten, die Umweltvorteile von Produkten in die Ausschreibung reinzunehmen. Man muss es nur tun.

Haben Politiker tatsächlich Vorbildfunktion? Wenden sich Grünen-Wähler zu Recht ab, wenn sie ihre Vorsitzende aus Dienstlimousinen aussteigen sehen, sollte der Bundespräsident Kleinwagen fahren – oder muss man das trennen? „Natürlich ist die Vorbildfunktion wichtig“, sagt Hermann Scheer, Energie-Experte und SPD-MdB. Er selbst besitzt kein Auto, manchmal mietet er bei Carsharing eins. Er kann kein Geheimnis daraus machen, dass er aber fröhlich durch die Welt fliegt, um seine Vorträge zur Energiewende zu halten. Er macht auch kein Geheimnis daraus, dass so was aus seiner Sicht alles Peanuts sind – und es einen radikalen Wechsel braucht hin zu den erneuerbaren Energien. Aber auch er weiß um die Symbolkraft des Automobils und findet, die Entscheidung von Göring-Eckardt setze „ein Zukunftszeichen“. Der nächste Schritt sei eine „ordnungspolitische Regelung“. Nun will er einen Antrag stellen, die Bundestagsflotte auf Biogas umzustellen.

Hermann Ott, Berliner Bürochef des Wuppertal Instituts für Klima, ginge auch diese Symbolik nicht weit genug. „Es reicht nicht, Dienstwagen von Politikern auf Sprit sparende, moderne Technologien umzustellen. Der Bund müsste komplett umstellen, mit allen Ministerien und Behörden.“

Die EU-Kommission hat unlängst mitgeteilt, sie wolle bei Dienstwagen künftig auf den Umweltfaktor achten. Bei Toyota ist man guter Dinge, dass EU-Umweltkommissar Stavros Dimas tatsächlich demnächst, wie angekündigt, Lexus Hybrid statt Mercedes fährt. In Brüssel ist die deutsche Lobby weniger mächtig. Der neue BMW-Diesel aus der Siebener-Klasse von Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) stößt aber fröhlich 216 Gramm CO2 aus. SPD-Parteikollege Scheer konstatiert derweil grundlegende zivilisatorische Defizite. „Man darf doch auch nicht seinen Müll auf die Straße werfen“, sagt er, „energiepolitisch sind wir immer noch nicht in diesem Stadium angelangt.“