Tote bei Anschlägen auf Busse im Libanon

Unmittelbar vor dem zweiten Jahrestag der Ermordung des ehemaligen Regierungschefs al-Hariri heizen zwei Anschläge die innenpolitischen Spannungen weiter an. Das Regierungslager mobilisiert zu einer Großdemonstration in Beirut

AUS BIKFAJA KARIM EL-GAWHARY

„Eigentlich ist es ein Wunder, dass hier ‚nur‘ drei Menschen starben“, ist der erste Gedanke bei dem Anblick, der sich hinter den gelben Absperrbändern der libanesischen Armee bietet. Mehrere Dutzend Soldaten und Spezialisten der Spurensicherung durchsuchen in strömendem Regen die Wracks zweier Kleinbusse. Einer ist völlig ausgebrannt. Spürhunde suchen nach Sprengstoffresten. Die Blutlachen werden langsam vom Regen weggespült.

Zwei Bomben waren in den beiden Pendlerbussen am Dienstagmorgen im Abstand von sieben Minuten explodiert. Drei Menschen starben, zwölf wurden verletzt. Sie waren auf der Bergstraße in der Nähe der Kleinstadt Bikfaja unterwegs zur Arbeit in Beirut. In der Gegend leben überwiegend Christen.

Die Anschläge kommen zu einer Zeit, in der die Libanesen gespannt darauf warten, ob der heutige Mittwoch, der zweite Jahrestag der Ermordung des ehemaligen libanesischen Premiers Rafik al-Hariri, friedlich zu Ende geht. Die Regierung hat zu einer Demonstration am Grab al-Hariris am Platz der Märtyrer in der Beiruter Innenstadt mobilisiert. Ein gewagtes Unterfangen, denn der Ort liegt direkt neben dem Platz, an dem die Opposition, angeführt von der Hisbollah, ihre Zelte aufgeschlagen hat. Sie will die Regierung so lange belagern, bis sie zurücktritt. Die Armee hat vorsorglich Stacheldraht und Elektrozäune aufgebaut, um beide Gruppen zu trennen. Erst vergangenen Monat hatten Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der Regierung und der Opposition zwölf Menschenleben gekostet.

Nicht nur in den Bergen bei Bikfaja wunderten sich die Menschen gestern, warum diesmal nicht, wie bisher üblich, prominente Politiker und Journalisten, sondern Pendler Ziel des Anschlags geworden sind. Der christliche Politiker Elias Murr, ein ehemaliger Innenminister, der auch der heutigen Regierung nahesteht, sieht deprimiert aus, als er seine Besichtigung des Tatortes beendet. Kopfschüttelnd blickt er auf die Buswracks. „Solange wir uns im Libanon zwischen Regierung und Opposition streiten, werden Leute unsere Uneinigkeit nutzen und versuchen, sie mit solchen Taten noch anzuheizen“, sagt er.

„Immer wenn es wieder ein bisschen ruhiger wird, gießt jemand Öl ins Feuer“, meint der Schaulustige Fuad Abi Nader. Gerade würden Regierung und Opposition verhandeln, um eine Lösung aus der politischen Krise zu finden, die das Land seit dem vergangenen Jahr paralysiert, da passiere so etwas, sagt er und zeigt mit dem Finger in Richtung Syrien. Wenn es eine Einigung zwischen Regierung und Opposition gebe, dann würde diese auch eine Zustimmung zum Internationalen Tribunal über den Hariri-Mord beinhalten. Daran habe Syrien, das viele Libanesen für den Mord verantwortlich machen, kein Interesse. Dies glaubt zumindest Nader, der sich als Anhänger des christlichen Politikers Samir Geagea vorstellt, dem extremsten Antisyrer in der Regierungskoalition. Nada Ebeid, die neben ihm steht, hält es dagegen mit Michel Aoun, dem christlichen Politiker, der sich mit der Opposition und der Hisbollah verbündet hat. „Warum schafft es die inkompetente Regierung nicht, all diese Mordanschläge aufzuklären“, hält sie ihrem Glaubensbruder von der Regierung entgegen, um dann ebenfalls einem weit verbreiteten Reflex nachzugeben. „Das kann kein Libanese gewesen sein“, sagt sie und deutet in Richtung der Buswracks.

Egal, welchem politischen Lager sie angehören, die seit Monaten schwelende politische Krise ist für die meisten Libanesen nicht hausgemacht. Deuten die Regierungsanhänger mit dem Finger auf die Hisbollah-Verbündeten Iran und Syrien, macht die Opposition vor allem die USA und Frankreich für die geringe Flexibilität der Regierung verantwortlich. Die Libanesen geben zwar offen zu, ein Problem zu haben, doch schuld daran scheinen immer andere zu sein.

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