Beschluss mit Hintertürchen

Das Kabinett beschließt überraschend schnell Maßnahmen zum Nichtraucherschutz. Riesige Veränderungen bedeutet das nicht

Aus Berlin GEORG LÖWISCH

Das Bundeskabinett hat Rauchverbote zu Lande, zu Wasser und auf der Schiene beschlossen. In Zügen, Bussen, Taxis, Flugzeugen und auf Fähren soll künftig nicht mehr geraucht werden dürfen. In Bundesbehörden, in Kasernen, auf Bahnhöfen und Flughäfen soll Qualmen nur in Raucherräumen möglich sein. Zigaretten sollen nur an Menschen über 18 verkauft werden dürfen.

Die Maßnahmen hatte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, bereits in der taz vom gestrigen Mittwoch angekündigt. Überraschend war jedoch, wie schnell das Bundeskabinett zu einem Beschluss kam. Wie es aus Kreisen beteiligter Ministerien hieß, gab es innerhalb der Regierung gegen diese Maßnahmen vorher Widerstand, obgleich die Verbote weder für Bus, Bahn, Flugzeug noch für Taxi neu sind, sondern lediglich eine Verschärfung bedeuten würden.

Es hieß, letztlich habe das Argument gestochen, dass das Kabinett schon im Dezember ankündigte, die Maßnahmen einer Koalitionsarbeitsgruppe umzusetzen. Die Arbeitsgruppe aus Politikern von Union und SPD hatte sich damals auf ein Maßnahmenpaket geeinigt. Dessen wesentlichen Teil, ein Rauchverbot in Restaurants, hatte Kanzlerin Angela Merkel wegen verfassungsrechtlicher Bedenken versenkt. Um, nachdem Erwartungen geweckt waren, nicht mit leeren Händen dazustehen, hatte sie versprochen, der Bund werde das umsetzen, was eindeutig in seiner Macht stehe.

Der nächste Schritt ist nun ein ausformulierter Gesetzentwurf, den das Kabinett Ende Februar beschließen will und der dann ins parlamentarische Verfahren geht. Details sollen über Verordnungen festgelegt werden. Dazu zählen die Ausgestaltung von Raucherzimmern und die Frage, wer bei Verstößen Bußgelder zahlen muss. Verfechter eines strengen Nichtraucherschutzes fürchten, dass die Verordnungen bei der Formulierung noch aufgeweicht werden könnten: Ein Raucherabteil hier, eine Raucherinsel da – und am Ende hätte sich gegenüber der früheren Situation kaum etwas geändert.

Die einfachste und klarste Veränderung ist das Heraufsetzen der Altersgrenze für den Zigarettenverkauf. Hier muss nur ein Passus im Jugendschutzgesetz gestrichen werden. Diese Maßnahme ist völlig unstrittig: Das Verbot des Verkaufs an Minderjährige hat selbst die Tabakindustrie in ihr Programm als Zugeständnis aufgenommen.

Im Bahnverkehr ist Rauchen bereits stark eingeschränkt. In mehr als 2.500 der 5.600 deutschen Bahnhöfe ist der Zigarettengenuss geächtet und nur noch in speziellen Zonen erlaubt. Seit Oktober stehen in den Bordbistros keine Aschenbecher mehr. Eine Sprecherin der Deutschen Bahn erklärte, dies werde von den Kunden begrüßt. Mit Blick auf die neuen Regelungen sagte sie: „Wir werden jede gesetzliche Regelung umsetzen.“

Das Deutsche Krebsforschungszentrum reagierte skeptisch auf den Kabinettsbeschluss. „Beim genaueren Hinsehen entpuppt sich die Entscheidung des Kabinetts als höchst zweifelhafter Versuch, so wenig wie möglich zu ändern“, sagte Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention. Sie hat Informationen, wonach in Zügen „die unsäglichen Raucherabteile“ bleiben können: „Ein Anachronismus“, sagte sie der taz. Pötschke-Langer kritisierte den Plan, Raucherräume zuzulassen. „Vieles scheint noch nicht geklärt zu sein und verschwindet im Qualm der verantwortlichen Kabinettsmitglieder.“

Das Tauziehen um Rauchverbote dürfte sich nun wieder auf die heikelste Frage konzentrieren: die Gaststätten. Am 23. Februar versammeln sich in Hannover die Gesundheitsminister der Länder, um eine bundeseinheitliche Lösung zu suchen. Ihre Fachbeamten hatten sich auf weitgehende Rauchverbote geeinigt. Allerdings ist es traditionell so, dass in den Gesundheitsministerien die Rauchgegner sitzen. Die Wirtschaftsministerien dagegen sind oft gegen Verbote. In Baden-Württemberg und Niedersachsen kommen die Wirtschaftsminister auch noch von der FDP, die Rauchbeschränkungen in Gaststätten seit Jahren heftig bekämpft. Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche erklärte gestern vorsorglich: „Ein Verbot in Kneipen und kleinen Cafés werden wir in Niedersachsen auf keinen Fall haben.“