Kübel voller Perversionen

Dunkle Wolken über dem Evangelischen Kirchentag 2007 in Köln

Wo denn nun die perversen Fotos seien, insistiert endlich eine dpa-Kollegin

Vom 6. bis 10. Juni 2007 findet in Köln der Evangelische Kirchentag statt. Doch haben sich schon jetzt dunkle Wolken über dem christlichen Großereignis zusammengezogen. Denn kürzlich versandte die Evangelische Kirche Deutschlands eine Pressemitteilung: „Der 31. Deutsche Evangelische Kirchentag und die Evangelische Kirche im Rheinland schreiben einen Postkarten-Wettbewerb für Jugendliche bis 21 Jahren zur Losung des Kirchentages in Köln aus. ‚Lebendig und kräftig und schärfer‘ – dieses Wort aus dem Hebräerbrief 4,12 soll bildlich umgesetzt werden. Ob mit Kreide, Cursor oder Kamera dargestellt, ob lustig oder nachdenklich – das ist künstlerische Freiheit.“

Seitdem ist am Kölner Gustav-Heinemann-Ufer die Hölle los, klagt Kirchenrat Klemm. Er, Klemm, habe ja gewarnt und dringlich abgeraten. Denn er habe es kommen sehen. Alles habe Klemm kommen sehen. Den Schmutz, die Perversen, die Islamisten. Und die Häme, vor allem die Häme, die nun, unkt Klemm, wieder unverdient, aber kübelweise ausgegossen werde. Über das große Ganze und das ganz Kleine und natürlich über ihn, den langgedienten Kirchentagobmann und -herbergsvater, obwohl er – wie schon gesagt – gewarnt, dringlich abgeraten und wie immer alles habe kommen sehen. Selbstredend auch die Damen und Herren von der gottlosen Kampfpresse. Ihn wundere nur, dass die dritte Gewalt nicht schon viel eher Wind bekommen habe und hereingeschneit sei. Jetzt solle man sich ruhig durch den infamen Dreckhaufen wühlen und die Schande herausposaunen und unter die Menschen bringen. Ihm sei das mittlerweile wurst, er, Klemm, werde seinen Kopf nicht länger hinhalten für Ketzer wie Huber, Höppner, Käßmann und Konsorten. Ein Klemm wisse schließlich, wann der Rubikon überschritten ist.

Erschöpft plumpst der kleine dicke Mann in seinen Drehstuhl und schnappt nach Luft. In der schmucklosen Büroetage am Rhein-Ufer wird es für Augenblicke sehr still. Nichts ist zu hören außer dem asthmatischen Hecheln des Kirchenrates, einem im „con grazia“-Modus gestöhnten Orgasmus aus dem Nebenzimmer und den dumpf gegen die geschlossenen Doppelfenster rollenden „Allahu akbar“-Rufen der Muslimbruderschaft, die seit Stunden die Geschäftsstelle des Kirchentages belagert.

Wo denn nun die perversen Fotos seien, insistiert endlich eine dpa-Kollegin und sieht genervt auf die Uhr. Man ersticke daran, hustet Klemm. Er erhebt sich ächzend, weist auf seinen Aktenschrank, vor dem sich ein Dutzend Kartons stapeln und greift hinein. Sekunden später hörte man den Bild-Reporter anerkennend durch die Zähne pfeifen. „Echte Topsauereien“, frohlockt der Fachmann und zeigt die Fotos im Postkartenformat herum. Zu sehen sind Geschlechtsteile in allen Farben, Formen und Größen sowie Kopulationen in allen möglichen und unmöglichen Stellungen: zu zweit, zu dritt, zu viert, in Leder und Latex, mit Tieren, Küchengeräten und Kurzwaren, mit heimischen und exotischen Obstsorten, geweihten Kerzen und Produkten der Tabak- und Metall verarbeitenden Industrie. Die Exerzitien tragen Titel wie „Kreuzhang“, „Die warmen Brüder vom Tal“, „Salomes Osterglocken“, „Sodom und Gomorrha“, „Lot und seine scharfen Töchter“ und sind versehen mit schönen Grüßen von „Den geilen drei Königen“, von „David mit seinem Goliath“ oder vom „Vierer mit Steuermann“.

Klemm schwitzt, Klemm wankt. Klemm wütet. So ginge das seit Januar. Tag für Tag ein Wäschekorb voller Sudeleien. Aber ihn, Klemm, wundere das nicht. Wer Wind sät, wird Sturm ernten, so stehe es bei Hosea 8,7. Wer mit buhlerischen Kirchtagsmotti handelt, sage wiederum er, der Kirchentagsveteran Klemm, der müsse mit allem rechnen. Das sei für ihn nichts anderes als Aufruf zur Unzucht.

Wie solch einer auch schon ergangen sei vor zwei Jahren zu Hannover, als die Lutherischen ungestraft singen ließen den hässlichen wie talentfreien Gnom Heinz Rudolf Kunze: „Was man ganz tief drinnen spürt / das kommt nicht von ungefähr.“ Heuer heiße die Verkündigung „lebendig und stärker und schärfer“ und habe daher logischerweise die allerschlimmsten Verirrungen gezeitigt.

Auf seinem Schreibtisch türmen sich Kirchentagsanmeldungen von Swinger-Clubs, Fußfetischisten, Sado-Maso-Aktivisten, Nekrophilen und Sodomitengilden. Flankierend gackere ein Kölner Narrensextett mit Namen „de Höhner“: „Da simmer dabei, und dat is prima.“ Im Auftrag vom Huber, zürnt Klemm. Aber der Herr, sagt Klemm, spricht so: „Also will ich der Unzucht im Lande ein Ende machen … Und man soll eure Unzucht auf euch legen, und ihr sollt eurer Götzen Sünde tragen“, so steht es bei Hesekiel 23,48. Darum, sagt der alte Kirchenrat, möge sich die Kampfpresse nur gründlich umsehen und alles aufnotieren und -decken, er Klemm, werde konvertieren und noch heute ein Übertrittsgesuch an Kardinal Meißner aufsetzen, diesen Fels des aufrechten Glaubens, der dem Huber erst gestern die päpstliche Protestnote „sanktus ira dies“ überreicht habe und seiner projektierten Teilnahme am ökumenischen Kirchentagsgottesdienst längst überdrüssig sei.

Nachdenklich verlassen wir den geplagten Mann. Sicher scheint nur eins: Der Kampf der Kulturen hat erst begonnen.

MICHAEL QUASTHOFF