Aufklärungsbesuch in Manila

UN-Sonderberichterstatter für extralegale Hinrichtungen ermittelt auf den Philippinen. Seit 2001 wurden rund 800 politische Aktivisten erschossen

BANGKOK taz ■ Dalmacio Gandinao saß gerade mit seiner Frau und drei Enkelkindern beim Abendessen, als seine Mörder kamen. Fünf Bewaffnete stürmten vor einer Woche sein Haus in Salay, rund 750 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Manila. Sie erschossen den 73-jährigen Führer der linken Bauernvereinigung aus nächster Nähe. Gandinao ist das jüngste Opfer der Mordserie gegen philippinische Aktivisten, die derzeit vom UN-Sonderberichterstatter für extralegale Hinrichtungen, Philip Alston, untersucht wird.

Seit der Amtsübernahme von Präsidentin Gloria Arroyo im Januar 2001 sind etwa 800 Menschen extralegalen Hinrichtungen zum Opfer gefallen. Ungefähr die Hälfte davon seien linke AktivistInnen gewesen, bilanziert die philippinische Menschenrechtsorganisation „Karapatan“. Zu den Ermordeten zählen unter anderem Journalisten, Gewerkschafter, Juristen und Kirchenvertreter. Auf eine juristische Aufarbeitung warteten ihre Angehörigen bislang vergebens.

Entsprechend groß ist die Hoffnung, dass UN-Sonderberichterstatter Alston bei seinem Besuch in dieser Woche die Untersuchungen der Todesfälle voranbringt. Der Australier soll die Ergebnisse einer von Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo im August 2006 einberufenen Sonderkommission ergänzen. Dieses Gremium hatte die nach Wahlbetrugsvorwürfen angeschlagene Regierungschefin ohnehin nur auf internationalen Druck eingerichtet. Der Bericht der Kommission liegt der Arroyo-Regierung seit über einem Monat vor. Nach Angaben des Vorsitzenden der Kommission, José Melo, handele es sich bei den Schuldigen „um eine kleine Gruppe von Verantwortlichen innerhalb der Armee“. Deren Vorgesetzte hätten die Taten toleriert und müssten daher ebenfalls zur Rechenschaft gezogen werden. Konkreter wurde Melo bislang nicht.

Die Opposition, allen voran das Linksbündnis „Bayan“, kritisiert, dass der Bericht noch immer nicht öffentlich gemacht wurde. „Wir beginnen uns zu fragen, ob es wirklich einen Bericht gibt“, so Bayan-Generalsekretär Renato M. Reyes. Obwohl Arroyo Ende Januar die EU und mehrere europäische Staaten ersuchte, Ermittler für die weitere Untersuchung der Morde zur Verfügung zu stellen, bekam bislang weder UN-Sonderberichterstatter Alston noch ein Vertreter der EU eine Kopie des Melo-Reports zu Gesicht. Die Begründung: Der Bericht sei noch nicht komplett. Menschenrechtler sind überzeugt, dass weite Teile der Armee hinter den Attentaten stecken. Das Militär wolle mit vermeintlichen Anhängern der Kommunisten und der maoistischen Guerillaorganisation „Neue Volksarmee“, kurz NPA, aufräumen: Die zunehmenden politischen Attentate seien unter anderem der von Arroyo im vergangenen Jahr initiierten „Anti-Terror-Kampagne“ zuzuschreiben. Die Regierungschefin hatte damals angekündigt, die Guerilla bis Ende 2008 zu zerschlagen.

Die Aktivisten von „Bayan“ fordern daher UN-Sonderberichterstatter Alston auf, endlich Licht in die Mordfälle zu bringen: „Wir appellieren an den UN-Sonderberichterstatter, sich entsprechend mit den Winkelzügen der Regierung Arroyo zu beschäftigen, die versucht, ihre Schuld an den politischen Morden zu verschleiern“, so „Bayan“-Generalsekretär Reyes. „Wir hoffen, dass Alston die Opfer in den Mittelpunkt stellt.“

NICOLA GLASS