Schweigen für den Traum

John Amaechi, ehemaliger Basketball-Profi in der NBA, bekennt sich in einer Autobiografie zu seiner Homosexualität und löst damit zum Teil heftige schwulenfeindliche Reaktionen aus

VON THOMAS WINKLER

Dieser Tage tummeln sich die besten Basketballspieler der Welt in Las Vegas. Die NBA lässt sie antreten zu ihrem alljährlichen Allstar-Spiel, aber vor allem präsentiert sich die Liga ein ausgedehntes Wochenende lang von ihrer besten Seite und betreibt eifrig Werbung in eigener Sache. Das eigentliche Ereignis ist umgeben von einem unüberschaubaren Angebot an Empfängen, Veranstaltungen und Promotion-Terminen. Zu denen wird eingeflogen, wer einmal halbwegs erfolgreich einen Ball im Korb versenken konnte.

Auf einen ehemaligen NBA-Star aber müssen die Festivitäten diesmal verzichten: Tim Hardaway, in den Neunzigerjahren selber fünfmal eingeladen in die Allstar-Auswahl, wurde von der NBA, die ihn zu Repräsentationszwecken verpflichtet hatte, wieder aus der Stadt verwiesen. Sein Fehler: Hardaway hatte die Wahrheit gesagt. Er „hasse Schwule“, hatte der 40-Jährige in einem Radio-Interview verkündet und auf Nachfrage ergänzt: „Ich bin homophob. Ich mag keine Schwulen und ich will keine Schwulen um mich haben. Ich finde, Homosexualität hat in dieser Welt oder in den Vereinigten Staaten nichts verloren.“

Der Anlass für Hardaways Hasstirade war das Coming-out von John Amaechi. Der ehemalige NBA-Profi enthüllt in seiner am Donnerstag erschienenen Autobiografie „Man in the Middle“, dass er schwul ist. Und vor allem schon immer war, auch während seiner aktiven Zeit, als der Center für die Cleveland Cavaliers, Orlando Magic und Utah Jazz auflief. Vor allem im konservativen Salt Lake City, beschreibt Amaechi in seinem Buch, hätte er sich diskriminiert gefühlt. Jazz-Coach Jerry Sloan, ein in der Liga überaus geschätzter Trainer, hätte mit homophoben Anzüglichkeiten geglänzt.

Bislang haben sich aus den wichtigen US-Ligen nur drei Football-Spieler und zwei Baseballer geoutet, allesamt erst nach dem Ende ihrer Karriere. Der 36-jährige Amaechi, der 2004 seine aktive Laufbahn beendete, ist der erste NBA-Profi, der sich zu seiner Homosexualität bekennt. Liga-Chef David Stern, wie immer besorgt um das Image seines Unternehmens, wollte zuerst kein Problem erkennen: „Unsere Liga ist sehr facettenreich. Die Frage in der NBA ist immer: Kann er spielen? Darum geht es, und jetzt Schluss damit“, fertigte Stern die Journaille ab. Einer seiner Stars äußerte sich immerhin positiv: „Vielleicht gibt Johns Schritt anderen die Sicherheit und das Vertrauen, sich ebenfalls zu bekennen“, hofft Grant Hill von den Orlando Magic.

Eine Hoffnung, die wohl trügen wird, das zeigten die kurz daraufhin einlaufenden Statements. LeBron James glaubt, dass ein schwuler Kollege ernsthafte Probleme bekommen würde: „Man muss seinen Mitspielern vertrauen können, und ein Schwuler, der das nicht zugibt, ist nicht vertrauenswürdig“, ließ sich der als Michael-Jordan-Nachfolger gehandelte Jungstar zitieren. Andere äußerten wenig Begeisterung darüber, womöglich mit einem gleichgeschlechtlich orientierten Teamkameraden eine Dusche zu teilen. Die Reaktionen reichten von Gleichmut über einen Aufguss der üblichen Vorurteile bis zur nur mehr leidlich getarnten Homophobie.

Doch vor allem die Empörung über Hardaways Aussagen ist nun groß – trotz einer halbherzigen Entschuldigung des Exprofis. So groß, dass Stern nicht umhinkam, Schadensbegrenzung zu betreiben und Hardaway aus Las Vegas ausfliegen zu lassen. Aber einige Kommentatoren weisen zu Recht darauf hin, dass höchstwahrscheinlich nicht nur ein Großteil seiner ehemaligen Arbeitskollegen, sondern auch der amerikanischen Bevölkerung mit ihm einer Meinung ist. Tatsächlich brechen sich in Blogs und Online-Foren, wenn auch meist anonym, die bekannten, meist religiös unterfütterten Ressentiments Bahn: „Hardaway hat Recht! Homosexualität sollte es nicht geben! Jemals in die Bibel geguckt?“, ist da zu lesen. Oder: „Homosexualität ist eine gesellschaftliche Verirrung.“ Die Wohlmeinenden „hassen zwar, was die Schwulen tun“, aber versichern ihnen trotzdem ihre „christliche Liebe“, andere setzen Schwulsein umstandslos sogar mit Kindesmissbrauch gleich.

Der Zankapfel selbst glaubt nun, eine hoffentlich fruchtbare Diskussion in Gang gesetzt zu haben. Auf Kritik, seine sexuelle Orientierung nicht schon zu seiner aktiven Zeit öffentlich gemacht zu haben, antwortete Amaechi: „Ich weiß, dass das womöglich wirkungsvoller gewesen wäre, aber ich wollte meinen Traum, in der NBA zu spielen, nicht zerstören.“ Die Reaktionen auf sein Coming-out zeigen, dass die Schwulen, die heute unerkannt in der NBA spielen, vorerst noch ähnliche Befürchtungen haben sollten. THOMAS WINKLER