Es läuft eine Dauersoundschleife

Schauplatz Kawasaki, 2: In „Cain’s Descendant“ (Forum) zerbricht ein Mann unter der Last seiner Schuldgefühle

Gerade ist Munakata (Watanabe Kazushi) aus dem Gefängnis entlassen worden. Tagsüber verrichtet er einen Job als Platinenlöter. Nachts döst er in einer winzigen Kammer vor sich hin. Sein Leben in der tristen Industriestadt Kawasaki ist geprägt von Monotonie und Kälte. Auch der Tochter seines Chefs gelingt es nicht, an den introvertierten jungen Mann heranzukommen. Als Munakata von seinem Boss den Auftrag erhält, Fernbedienungen zu Bomben umzufunktionieren, wird er in eine Spirale der Gewalt hineingezogen, die in einem brutalen Finale kulminiert.

Weniger über die Handlung als vielmehr durch die Art und Weise der Darstellung hat sich Regisseur Oku Shutaro seiner Hauptfigur angenähert: Der Film folgt einer extrem reduzierten Dramaturgie, um adäquate Bilder für Munakatas emotionalen Zustand zu finden. Ähnlich wie in Abel Ferraras „Bad Lieutenant“ geht es hier um einen Menschen, der eine schwere Schuld auf sich geladen hat und sich seither nach Erlösung sehnt.

Die Szenen, die in Munakatas düsterem Zimmer spielen, haben etwas derart Klaustrophobisches an sich, dass sich im Betrachter der Eindruck verfestigt, dass hier ein Mann zwar ein materielles Gefängnis hinter sich gelassen hat, nicht aber sein mentales. Im permanent eingeschalteten Fernseher ist entweder weißes Rauschen zu sehen, oder es läuft eine Dauersoundschleife, die über den Verbleib eines Sexualstraftäters informiert.

Überhaupt ist „Cain’s Descendant“ geprägt von Darstellungen einer völlig verkorksten Sexualität: Ein kleines Kind macht Munakata Avancen, der wiederum träumt vom Geschlechtsverkehr mit der eigenen Mutter. Gleichzeitig durchziehen christliche und buddhistische Symbole den Film, allerdings hat die Darstellung von Religion mehr mit absurdem Theater als mit tatsächlicher Spiritualität gemein. In dem Gottesdienst, den Munakata einmal besucht, wird erst Werbung für Cornflakes gemacht, anschließend spielen die Besucher Reise nach Jerusalem.

Solche Szenen grotesker Komik sowie ein fröhlich vor sich hin dudelnder, zuckersüßer Soundtrack setzen immer wieder Kontrapunkte zur morbiden Grundstimmung eines eigenwilligen Films, dem man wegen seiner vielen guten Ideen letztlich nachsieht, dass seine Symbolik bisweilen ein wenig ins Leere läuft. ANDREAS RESCH

„Cain’s Descendant“ („Kain no matsuei“). Regie: Oku Shutaro. Mit Watanabe Kazushi, Taguchi Tomorowo, Uchida Syungiku u. a. Japan 2006, 90 Min. Heute, 12.30 Uhr, Cinestar