„Dem Gerede müssen Taten folgen“

Der Verkehrsminister akzeptiert endlich, was Experten schon lange fordern, sagt VCD-Sprecher Lottsiepen

taz: Herr Lottsiepen, Verkehrsminister Tiefensee will Klimaschutz über die Kfz-Steuer betreiben. Der Verkehrsclub Deutschland fordert das schon lange. Jubilieren Sie jetzt?

Gerd Lottsiepen: Doch. Tiefensee hält sich an das Konzept vom VCD. Allerdings verkauft er als neu, was es längst gibt.

Wieso?

Tiefensee hat erklärt, die Kfz-Steuer nicht nur am Kohlendioxidausstoß orientierten zu wollen, sondern auch an anderen Schadstoffen. Das aber ist längst Realität: Die Kfz-Steuer wird heute nach Schadstoffenklassen gestaffelt.

Zum Beispiel?

Nehmen wir die Benziner: Für die Schadstoffklasse Euro 3 und 4 kostet die Kfz-Steuer 6,75 Euro pro 100 Kubikzentimeter. Für die schlechtere Euro-1-Norm kostet das schon 15,13 Euro. Stinker, die überhaupt keine Schadstoffminderung in Form von Katalysator oder Rußfilter haben, zahlen das Meiste: in der Schadstoffklasse Euro 0 werden 25,36 Euro pro 100 Kubikzentimeter Hubraum fällig.

Tiefensee sagt: CO 2 ist CO 2 , weshalb er Diesel und Benziner gleich besteuern will. Die unterschiedlichen Mineralölsteuern sollen durch diverente Sockelbeträge ausgegleichen werden. Ist das neu?

Überhaupt nicht: Die unterschiedliche Mineralölbesteuerung wird von der Kfz-Steuer schon heute ausgeglichen. Diesel-Pkw werden in jeder Schadstoffklasse um 10 Euro mehr pro 100 Kubikzentimeter besteuert, als die Benziner. Besser wäre natürlich, die Mineralölsteuer für Benzin und Diesel anzugleichen. Verkehrspolitisch ist das längst überfällig.

Also: Tiefensees Vorschläge nichts als kalter Kaffee?

Nicht ganz: Das Bundesverkehrsministerium gesteht damit ein, dass Deutschland im Verkehrssektor dringend mehr tun muss für den Klimaschutz. Was alle Experten längst fordern, hat Verkehrsminister Tiefensee nun offiziell akzeptiert: die Hubraumbesteuerung auf eine Verbrauchsbesteuerung umzustellen, um den CO2-Schleudern zu Leibe zu rücken. Der Verkehrssektor trägt eklatant zum Klimaproblem bei, nach 10 Jahren Gerede muss endlich mal eine Tat folgen.

Tiefensee wirft den Experten vor, einen Gegensatz zwischen ökologischer Vernunft und Freude an der Mobilität konstruieren zu wollen!

Die Zeiten, in denen der Bleifuß die Freude an Mobilität bestimmt, die sind vorbei. Der Verkehrsminister hat das nur noch nicht ganz begriffen: Deutschland ist weltweit das einzige Land, dass auf seinen Autobahnen kein Tempolimit hat. Natürlich gibt es einen Gegensatz zwischen ökologischer Vernunft und bestimmten Automodellen. Nehmen Sie den VW Golf: Es gibt ein Modell, dass 137 Gramm Kohlendioxid je Kilometer rausbläst. Und es gibt ein Modell, dass 257 Gramm ausstößt. Angesichts des Klimaproblems ist völlig klar: das letztere Modelle darf es nicht mehr geben. Genauso wie klar ist, dass bald das Tempolimit kommt. Wir stehen vor einem radikalen Wandel unseres Mobilitätsbegriffes.

INTERVIEW: NICK REIMER