Gute Geschäfte feiern

Die Galerie Camera Work besteht seit zehn Jahren, die Fotoagentur Magnum seit sechzig. Ihre Ausstellung „Berlin 1946–2006 – Magnum Photos“ erzählt vom schnellen Rollenwechsel der Stadt

VON RONALD BERG

Der Legende nach stammt der Name „Magnum“ von der Größe der Champagnerflasche, die zur Gründung der berühmtesten Fotoagentur der Welt geleert wurde. Sechzig Jahre ist das her. Ein Jubiläum, das die diesjährige Berlinale mit einer Filmreihe würdigen konnte, da eine Reihe von Fotografen der Agentur auch Filme gedreht haben, gemäß dem kritischen, manchmal auch humorvollen Ansatz der Vereinigung.

Der Ruhm von Magnum gründet nicht nur auf den Leistungen so illustrer Vertreter wie Henri Cartier-Bresson, David Seymour, Robert Capa, Inge Morath, Josef Koudelka oder Martin Parr, die an den Brennpunkten des Weltgeschehens mit ihrer Kamera oft buchstäblich an vorderster Front standen; auch ihre Rolle als erste selbstverwaltete Kooperative von Fotografen ist wichtig für die Agentur. Magnum, heute mit Büros in Paris, New York, London und Tokio vertreten, stellt sich eigene Themen, behält sich die Rechte an seinen Fotos vor und achtet darauf, dass die Aufnahmen in Zeitschriften nicht beschnitten werden. Im Laufe der Zeit wuchs die Handvoll der Mitglieder auf über vierzig an. Die Aufnahme in die Gruppe kommt einem Ritterschlag gleich.

Die Galerie Camera Work nimmt nun das Jubiläum zum Anlass für eine Ausstellung mit Magnum-Fotos und feiert damit auch einen eigenen runden Geburtstag. Vor zehn Jahren wurde Camera Work gegründet, seit 2001 existiert das Unternehmen in der ungewöhnlichen Form einer Aktiengesellschaft: Börsenwert des Unternehmens derzeit: knapp 170 Millionen Euro. Ein Großteil der Aktien befindet sich in der Hand des Unternehmers Clemens J. Vedder, der seine eigene millionenschwere Fotosammlung in die Gesellschaft einbrachte. Die Geschäftsidee von Camera Work beruht auf dem enormen und kontinuierlichen Preisschub der Fotografie auf dem Kunstmarkt. Zu den Beständen der Galerie gehören – neben einigen entwicklungsfähigen „Talenten“ – vor allem teuere Vintage Prints von Fotoklassikern wie Man Ray, Richard Avedon, Irving Penn, Diane Arbus, Ansel Adams, Helmut Newton, Brassaï und eben einer Reihe von Magnum-Fotografen.

Einziges Thema bei der derzeitigen Magnum-Schau bei Camera Work (parallel zu einer Avedon-Ausstellung im Erdgeschoss) ist Berlin. Die Entstehungszeit der Aufnahmen reicht von 1946 bis 2006. Wenn man die ein Jahr nach Kriegsende von Werner Bischof aufgenommene Trümmerwüste vor dem Reichstag betrachtet, dringt geradezu schockartig ins Bewusstsein, wie weit das heutige Berlin zur Normalität übergegangen ist. Der historisch schnelle Rollenwechsel der Stadt, vom Kriegsverlierer zum Aufbauwunder, von der ummauerten Frontstadt und sozialistischen Hauptstadt zum politischen Zentrum der Berliner Republik und dem nachfolgenden bunten Treiben in der Business- und Touristenmetropole, all das haben die 16 Magnum-Fotografen in gewohnt sprechenden Bildern festgehalten.

Eine einheitliche Handschrift gibt es nicht. Herbert List findet 1959 in der Vogelschau vom Funkturm auf das Geschlinge der neuerrichteten Stadtautobahn nicht nur ein Zeichen für die wachsende Prosperität Westberlins, sondern komponiert in der Ästhetik der Zeit ein fast abstraktes Gebilde.

Wie List so stellt auch Martin Parr unter Beweis, dass beim fotografischen Blick auf Berlin historisches Zeitkolorit aufseiten des Motivischen und ästhetischer Zeitgeist seitens des Fotografen nicht zu trennen sind. Parr sieht 1996 in der Karl-Marx-Allee, der sozialistischen Vorzeigemagistrale von einst, vor allem die rot blühenden Rosen auf dem Mittelstreifen, wie eine letzte, rührende Reminiszenz an die einstige Utopie eines Arbeiter-und-Bauern-Paradieses. Thomas Hoepkers Bild der DDR aus den Siebzigerjahren fällt nüchterner aus und entlarvt die inneren Widersprüche des Sozialismus, ob bei den betagten Funktionären der FDJ oder anhand der Monotonie der Plattenneubauten.

Die jüngsten Arbeiten der Ausstellung pendeln zwischen dem touristischen Blick, in dem sich Berlintypisches nur noch durch Reichstagskuppel oder das im Stadtraum abgestellten Mauersegment zu erkennen gibt, und eher ästhetisierenden Ansichten vom Holocaust-Mahnmal. Die Schrecken der Vergangenheit werden selbst hier offenbar eher formal wachgehalten als inhaltlich thematisiert. Auf Paolo Pellegrins Foto von 2005 lässt es sich ein junges Mädchen nicht nehmen, auf den Stelen herumzuspringen.

Camera Work, Kantstr. 149, bis 3. März, Di.–Sa., 11–18 Uhr