BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER Heimwehlinderung für Kölner und Kirgisen

Natalie Tenbergs Gastro- und Gesellschaftskritik: Der Fröhliche Rheinländer ist etwas für in Berlin zurückgebliebene Exil-Karnevalisten

Für Rheinländer in Berlin ist die Karnevalswoche sehr hart. Wer sich nicht schon rechtzeitig freigenommen hat, ist gezwungen, Karneval fern der heimatlichen Bierseeligkeit zu feiern. Mitleid erntet man dafür von den Berlinern nicht, denn was der Rheinländer versteht, das will dem Rest der Republik nicht einleuchten: Karneval ist mitnichten ein wildes Besäufnis um seiner selbst willen, sondern ein Fest der Zwischenmenschlichkeit mit musikalischer Mundartuntermalung, das zur Geschmeidigkeit des Miteinander übers ganze Jahr beiträgt. Wie gut, dass es in Berlin Inseln der Glückseeligkeit gibt, auf denen man der rheinischen Lebensart fröhnt.

Eine dieser Inseln ist der Fröhliche Rheinländer in Charlottenburg, ein kleines Lokal im typischen Look einer rheinischen Nachbarschaftskneipe: eine rechteckige Treseninsel nimmt fast den gesamten Raum ein, drumherum quetschen sich ein paar Stehtische und hinten drin eine Sitzbank. Die Bläck Fööss besingen das Wasser von Köln, Sträuße aus Trockenblumen, kleine Figuren bevölkern die Theke, Poster vom Dom und derer, die in seinem Schatten groß wurden, zieren die Wand.

„Kölsch?“, fragt die Bedienung. Obwohl Alt vom Fass angeboten wird, haben alle 15 Gäste, die den Laden gut füllen, ein Kölsch vor der Nase stehen. Das Bier schmeckt frisch und leicht, auch weil das Kölschglas vor Gebrauch kurz mit Wasser durchgespült wurde. Alles eben so, wie es sein muss. Während wir an der Theke hängen und trinken, unterhält Dieter, der Wirt, seine Gäste mit Anekdoten aus dem Urlaub und verteilt an die anwesenden Frauen Bonbons in Herzchenform.

Gerade als man sich in Gedanken über die Vorteile eines Rauchverbots verliert und sich fragt, wo das Besondere dieser Kneipe liegt, legt Dieter eine weitere Bläck-Fööss-Platte auf.

Daraufhin geschieht Wundersames: Wie auf Absprache singen alle Gäste mit und verfallen ins leichte Schunkeln: „Bye, bye, My Love“ als kollektive Heimwehlinderung. Die wirkt auch bei Kirgisen. Ihre Botschaft liegt direkt daneben, weshalb die Zentralasiaten mit zum Stammpublikum des Ladens gehören. Auf dem Gesicht unseres kirgisischen Freundes jedenfalls macht sich ein Lächeln breit.

Also: Der Fröhliche Rheinländer heißt nicht nur so, er ist es auch. Eine ehrliche rheinische Kneipe, bodenständig, eben ein Lokal, in dem man zu Karneval landet. Nur zum Bützen sollte man sich selbst jemanden mitbringen, dass kann dann auch wieder ein Berliner sein.

ZUM FRÖHLICHEN RHEINLÄNDER, Otto-Suhr-Allee 144, 10585 Berlin-Charlottenburg, (0 30) 33 09 13 75, U-Bahn Richard-Wagner-Platz, tägl. ab 16 Uhr, im Karneval erweiterte Öffnungszeiten unter www.zum-froehlichen-rheinländer.de, Kölsch / Alt 1,50 €, Cola 1,80 €