Neue Hoffnung für alte Hütte

Die Künstler auf dem Rotaprint-Gelände im Wedding erhalten Unterstützung: PDS und der Baustadtrat von Mitte wollen den Verkauf des Geländes durch den Liegenschaftsfonds verhindern

von Christoph Villinger

Für die Künstler und Projekte auf dem ehemaligen Rotaprint-Gelände im Wedding gibt es neue Hoffnung. Übereinstimmend berichten Politiker von SPD, PDS und den Grünen über umfangreiche Gespräche hinter den Kulissen mit dem Ziel, einen direkten Verkauf an die Mieter doch noch zu ermöglichen. Bisher wollte der Berliner Liegenschaftsfonds das weitläufige Gelände in der Nähe des Nauener Platzes an einen Investor verkaufen. Dagegen hatten die Künstler protestiert, weil sie um ihre preiswerten Ateliers in den Gebäuden des einstigen Druckmaschinenherstellers fürchten.

Im vergangenen Herbst hatte der Liegenschaftsfonds ein Paket mit 45 Gewerbeimmobilien geschnürt, die dem Land Berlin gehören (taz berichtete). Durch diese Zusammenstellung mit attraktiven Angeboten sollten auch wenig lukrative Immobilien verkauft werden können. Teil dieses Pakets sind das überwiegend von Künstlern als Atelierhaus genutzte ehemalige Verwaltungsgebäude von Rotaprint in der Wiesenstraße sowie das in Sichtweite gelegene und unter Denkmalschutz stehende frühere Betriebsgelände. Dies wird außer von Künstlergruppen auch von sozialen Initiativen wie zum Beispiel SOS Kinderdorf genutzt.

Auf einem weiteren Teil des Geländes hatte im vergangenen Jahr die Lidl-Kette eine Filiale mit Parkplatz eröffnet. Bereits zehn Jahre zuvor waren dort die alten Gebäude vom Land abgerissen und war – um überhaupt einen Verkauf zu ermöglichen – der Boden wegen Altlasten saniert worden (siehe Text unten). Jörg Bürkle, der Sprecher der Künstler in der Wiesenstraße, befürchtet, dass bei einem Verkauf an einen Investor auch ihr Gebäude „dieses Schicksal“ erleiden wird.

Hilfe vom Baustadtrat

Doch der in dieser Angelegenheit engagierte einstige Kultursenator Thomas Flierl macht Mut: „Ich sehe eine zustimmende Haltung bei beiden Koalitionspartnern, alle Teile des ehemaligen Rotaprint-Geländes aus dem Paketverkauf wieder herauszunehmen“, sagte der heutige Abgeordnete der Linkspartei der taz. Er spielt den Ball an den Bezirk Mitte weiter: Dieser müsse die Grundstücke dafür vorübergehend wieder vom Liegenschaftsfonds zurücknehmen. „Wenn es nur so geht, dann machen wir das“, erklärt dazu Ephraim Gothe (SPD), der zuständige Baustadtrat von Mitte. Bedingung sei allerdings, dass es dem Bezirk erlaubt wird, das Gelände dann auch an die Künstler zu verkaufen. Bis dahin soll die gemeinnützige Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) die Verwaltung und die Betreuung des Verkaufs übernehmen, und es sol ein neues Verkehrswertgutachten erstellt werden.

Denn vor allem um die Höhe des Verkehrswerts drehten sich in den letzten Monaten die Auseinandersetzungen zwischen den prinzipiell kaufwilligen Mietern und dem Liegenschaftsfonds. Der Fonds hatte, wie Sprecherin Irina Dähne betont, allen Nutzern der im Paket versammelten Immobilien nach ersten Protesten angeboten, „ihr Grundstück zum festgelegten Verkehrswert bis zum Jahreswechsel selbst zu kaufen“. Laut dem Künstler Les Schliesser vom Verein Ex-Rotaprint ist der vor drei Jahren berechnete Verkehrswert in Höhe von rund 2 Millionen Euro jedoch „angesichts der immensen Sanierungskosten stark überhöht“.

Andere Nutzer haben bisher von dem Angebot des Fonds Gebrauch gemacht, zum Beispiel der Internationale Club Berlin in der Thüringer Allee, ein „exklusiver Privatclub“ im ehemaligen Britischen Offiziersclub mit angegliedertem Swimmingpool. Andere Gebäude, wie das Marina-Haus am Märkischen Museum, haben städtische Kulturverwaltungen wieder in ihren Bestand zurückgenommen.

Gerüchte über Investor

In Abgeordnetenkreisen kursieren derzeit Gerüchte, dass es nur noch einen potenziellen, aus Island stammenden Investor gebe. Sprecherin Dähne wollte sich dazu nicht äußern, da „für die Investoren die Abgabefrist ihrer Angebote aufgrund der nun notwendigen neuen Wirtschaftlichkeitsberechnungen“ bis zum heutigen 20. Februar verlängert wurde. Bei allen inhaltlichen Fragen verwies sie an den für den Fonds zuständigen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD).

Für dessen Sprecher Matthias Kolbeck „ist das Ende der Fahnenstange erreicht“ – über den Preis werde nicht mehr verhandelt. Da die Künstler auf dem Rotaprint-Gelände nicht bis Weihnachten gekauft hatten, könne der Finanzsenator ihnen nun nur noch zwei Angebote machen. „Ein Käufer muss sich verpflichten, den Mietern für fünf weitere Jahre gleiche Mietbedingungen einzuräumen, oder allen Nutzern werden vom Liegenschaftsfonds drei gleich geeignete Ersatzstandorte angeboten.“ Man könne doch auch mal umziehen, findet der Sprecher.

Wegen dieser harschen Töne ist Jochen Esser, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen, skeptisch, ob sich wirklich eine Lösung anbahnt. „Offiziell hat sich noch gar nichts bewegt – null“, sagt er. Aber auch er hofft, dass „sich da noch was tut“. Formal müsse erst der Liegenschaftsfonds seine Verhandlungen mit dem Investor zu Ende bringen. Dann werde das Ergebnis dem Senat, anschließend den Ausschüssen und dann dem Parlament vorgelegt. Um dieses Procedere abzukürzen, empfiehlt Esser: „Regierender Kulturbürgermeister Klaus Wowereit: Übernehmen Sie!“