Polen isoliert sich mehr und mehr

Warschau blockiert beim EU-Außenministertreffen den Start der Verhandlungen über ein neues EU-Russland-Abkommen. Nachgedacht wird außerdem über ein Referendum zur Einführung des Euro. Dies wäre ein Bruch des Beitrittsvertrages

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Der polnische Verteidigungsminister Radek Sikorski in freundlichem Gespräch mit seinem deutschen Kollegen Franz Josef Jung – ein solches Bild hat derzeit in Brüssel Seltenheitswert. Denn fast jeden Tag treffen aus Warschau Nachrichten ein, die für Stirnrunzeln sorgen. So war es auch, als Polens Premier Jarosław Kaczyński eine europäische Armee von 60.000 Mann unter Führung der EU-Kommission in die Debatte brachte. Die feierliche Unterzeichnung eines Abkommens über die erste militärische Eingreiftruppe mit deutscher und polnischer Beteiligung gestern in Brüssel war daher Balsam für die polnischen Diplomaten, die der Zeremonie beiwohnten. Von ihren Partnern in Europa fühlen sich die Polen derzeit nicht ernst genommen.

Besonders schwierig scheint das Verhältnis zu Deutschland. Der neue polnische Botschafter bei der EU soll sich seinem deutschen Kollegen noch nicht einmal vorgestellt haben. Teilnehmer von Ratssitzungen berichten, die polnischen Vertreter wirkten unsicher und isolierten sich von den Kollegen aus anderen Ländern.

Polen fühlt sich in seinem Gewicht als eins der größeren Länder der EU nicht angemessen gewürdigt. Hinzu kommt die Sorge, seine Interessen bei der Energieversorgung würden nicht berücksichtigt. Deshalb will es ein Verhandlungsmandat für den Gipfel der EU mit Russland am 24. November nur mittragen, wenn Russland zuvor die seit 1994 blockierte „Energiecharta“ unterzeichnet, in der es Europa Zugang zu seinen Gasvorräten garantiert. Beobachter halten die Forderung für völlig chancenlos. „Norwegen und Saudi-Arabien geben auch keine derartigen Erklärungen ab“, sagte ein deutscher Diplomat lakonisch. Derartige Zusicherungen könnten höchstens Teil eines Verhandlungspakets sein, von dem auch Russland Vorteile hätte.

Das deutsch-russische Projekt, mit einer Gaspipeline durchs Baltische Meer polnisches Territorium zu umgehen, stößt in Warschau ebenfalls auf Misstrauen. Polens Wirtschaftsminister Piotr Wozniak sagte in Brüssel kürzlich, Deutschland solle „das Projekt vergessen.“ Doch dieser Rat kommt zu spät. Die Pipeline ist beschlossene Sache. Bei polnischen Politikern wächst die Furcht, dass die Kommission zusammen mit der am 1. Januar beginnenden deutschen EU-Präsidentschaft ein neues europäisch-russisches Partnerschaftsabkommen aushandeln könnte, das Polens Interessen zuwiderläuft.

Dieser Mischung aus Misstrauen und gekränktem Stolz entspringt wohl auch die Ankündigung, Warschau wolle über die Einführung des Euro ein Referendum abhalten. Währungskommissar Almunia hatte die hohe Neuverschuldung gerügt und der polnischen Finanzministerin ans Herz gelegt, ihre Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Zyta Gilowska hatte sich diese Einmischung verbeten.

Das Europaparlament schließt sich nun ebenfalls der Polenschelte an. Nach einer Reise des CIA-Ausschusses sagte sein Vorsitzender Carlos Coelho: „Der Unterschied zu der Kooperationsbereitschaft, die wir vor zwei Wochen in Rumänien erlebten, ist nicht zu übersehen.“ In Warschau hätte der Ausschuss nicht mit Politikern, sondern nur mit Beamten sprechen können und ausweichende Antworten auf seine Fragen erhalten.