Die Wiederwahl des Leuchtturmwärters

Dieter Lenzen wird heute als Präsident der Freien Universität bestätigt. In den vergangenen vier Jahren hat er aus der Uni ein Unternehmen gemacht

Von Martin Kaul

Es ist das erste Zeichen starker Führung: Wer an der Freien Universität (FU) Stimmen zum heutigen Wahlgang aufspüren will, begegnet großer Redefreude. In der ProfessorInnenschaft, in den Gremien, unter Studierenden und Angestellten, jedeR kann etwas dazu sagen. Doch namentlich zitiert werden wollen die wenigsten, die sich zur Zukunft ihrer Universität auslassen. Warum eigentlich? Es geht um eine Personalie. Allerdings um eine sehr präsidiale.

Heute wird Dieter Lenzen als Präsident der FU bestätigt. Und es erwartet ihn – fein organisiert – ein formeller Akt. Die absolute Mehrheit im Akademischen Senat steht. Da sind sich alle sicher. Doch anders als die Stimmen in der Urne äußern jene Stimmen am Telefon Skepsis. Ihre Beziehung zu ihrem Chef und Macher, nein, zu ihrem Manager, formulieren sie etwa so: „Er ist schwierig – aber das können Sie so nicht schreiben. Ich habe noch mit ihm zu tun.“ Dabei lässt sich der Grund für die verbreitete Stille leicht beschreiben. Dieter Lenzen würde ihn „Verwaltungsmodernisierung“ oder „Struktureffizienz“ nennen.

Denn wie kein anderer steht Lenzen für eine wirtschaftsnahe Neuausrichtung der Universität. Wie keiner seiner Vorgänger hat er die FU in vier Jahren in so vielen Bereichen so grundlegend verändert. Im Bildungsmarkt, für den er wirbt, ist seine Uni ein Topseller der „neuen Marke ‚Berlin Wissenschaft‘ “. Ein Dienstleistungsunternehmen, das Wissen produziert – und dies so effizient wie möglich.

Die rigorose Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen innerhalb kürzester Zeit und ein computergesteuertes Studierendenverwaltungssystem, das leistungsschwache Studierende automatisch exmatrikulieren kann – das sind Projekte, für die Dieter Lenzen steht. Selbst professorale Senatsmitglieder warnen inzwischen vor „undemokratischen Tendenzen“ bei der Verwaltungshierarchisierung. Lenzen hat ein anderes Wort dafür: „Autonomie“.

Der Rahmen, aus dem der Erziehungswissenschaftler Wissen herleitet, heißt Wettbewerb. Konkurrenz ist sein Prinzip. Deswegen ist er Botschafter für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, einem neoliberalen Thinktank. Deswegen gilt er in der Republik als Wegbereiter eines universitären Zukunftsmodels. Für ihn heißt das Elite-Uni, für ihn heißt das Selektion. Deswegen reist er durch die Republik und vertritt „Eckpunkte einer grundlegenden Reform des Bildungswesens“. Mit Konkurrenz ab der ersten Klasse.

Dieter Lenzen wird heute wiedergewählt werden, weil selbst Skeptiker aus der ProfessorInnenschaft ihm zuschreiben, „die Uni sichtbar gemacht zu haben wie kaum einer seiner Vorgänger“. Sie sind dankbar, „dass wir der Humboldt-Universität im Exzellenz-Wettbewerb fast den Rang abgelaufen haben“. Sie wählen einen Manager, der im Kampf um Kunden Rendite verspricht.

Er wird auch wiedergewählt werden, weil große Gruppen seiner Uni im Akademischen Senat zwar formal eine Stimme haben, damit gegen die Professorenschaft aber nicht ankommt: das Personal, die Studierenden. „Er war erst einmal auf einer Personalversammlung. Aber nur, um die Exzellenzinitiative vorzustellen. Eine Identifikation mit ihm ist in weiten Teilen des Personals nicht vorhanden“, heißt es aus Reihen des Personalrats. Auf Veranstaltungen, auf denen auch Studierende anwesend sind, lässt Lenzen sich nicht blicken. Er weiß: Sie könnten platzen. Als Anfang Februar Studierende wenige Minuten vor Beginn seiner Buchvorstellung („Bildung neu denken!“) Transparente hochhielten, machte er auf halber Strecke kehrt.

Lenzen führt andere Debatten. Er ist der personifizierte Leuchtturm in einem marktgesteuerten Wissenskampf um Rankings, Titel und Profile. Er wird auch weiterhin leuchten. Andere sagen: blenden.