Bitte nicht der nächste Platz to be

Seit Ende Januar ist der kleine Pavillon neben der Volksbühne wieder lebendig: Eine Gruppe Kunst- und Kulturaktiver hat das „Institut im Glaspavillon“ eröffnet, um dort eine alte, neue Form der Wissensvermittlung zu betreiben und Mixtapes zu hören

VON CLEMENS NIEDENTHAL

Wenn es dunkel wird, streiten sich die Zeichen und schicken ihre Blitze über den Rosa-Luxemburg-Platz. Die grellen Flutlichter, in denen sich die Volksbühne sonnt, das Magenta einer Telefonzelle. Später macht auch die PDS das Licht an. Die Strahlen spiegeln sich lustig in der Fassade des kleinen Glaspavillons. „Eigentlich hatte ich gedacht, dass es hier nachts dunkel ist“, sagt Philipp Ekardt. Ein erster Erkenntnisgewinn, ein guter Start für das „Institut im Glaspavillon“, das durchaus zum Ort der Erkenntnis taugen will. Oder zum Ort von Verwirrungen, je nachdem.

Die Idee stand buchstäblich im Raum. Fünfzigerjahre, Ostmoderne, DDR-Alltagsarchitektur. Ursprünglich war der Glaspavillon einmal der Infokiosk der Volksbühne. Zuletzt beherbergte er für vier Jahre die „Galerie Meerrettich“, die doch keine Galerie war, weil sie nicht mit Kunst handelte. Jetzt führt das „Institut“ diesen Gedanken fort: „Hier gibt es nichts zu kaufen oder zu verkaufen.“ Selbst ihr Bier müssen sich die Besucher selbst mitbringen. Eine simple Geste in einer Umgebung, deren neuerliche Ökonomisierungsschübe so augenscheinlich sind. Zum Glück ist aber auch das Berlin-Mitte: Noch finden sich immer neue Nischen.

Von „einer Form der Raumnutzung, die in dieser Gegend immer seltener möglich ist“, will Philipp Ekardt, Literaturwissenschafter und Kunsthistoriker, trotzdem sprechen. Seine Brille verrät ihn als einen, der weiß, wovon er spricht. Der euphorische Beginn der Kunstwerke in der Auguststraße, die illegalen Clubkeller, in denen das Private politisch wurde – Ekardt und seine Mitstreiter standen bis zum Hals im Berlin der unbegrenzten Möglichkeiten. „Sicher wollen wir eine bestimmte Arbeitsweise fortführen“, ergänzt Heike Föll, Künstlerin, Kuratorin und Kunsthistorikerin, „aber ohne damit alte Zeiten zu romantisieren.“

Romantisch allerdings wurde bereits der Eröffnungsabend am 28. Januar – mit einer Lesung aus Adalbert Stifters „Bergkristall“. Ungelegen kam es da, dass ausgerechnet Ulf Poschardt kurz darauf in der ersten Vanity-Fair-Ausgabe zur Renaissance des Biedermeier rief. Aber auch das beschreibt gegenhegemonielle Kulturproduktion im Berlin des Jahres 2007 ganz gut: Philipp Ekardt kommt einfach nicht umhin, das Magazin und seinen Macher zu erwähnen. Zumal Letzterer ja so leidenschaftlich gegen die „Volksbühnen-Republik“ stänkert.

Das „Institut“ hat den Pavillon erst einmal bis Ende der Spielzeit im Herbst von der Volksbühne zur Verfügung gestellt bekommen. Veranstaltungen soll es immer montags geben. Befreundete oder geschätzte Künstler und Wissenschaftlerinnen werden dazu eingeladen. Rosalind Nashashibi und Lucy Skaer etwa, zwei Künstlerinnen, die sich des Nachts durch die Vitrinen des New Yorker Metropolitan Museum filmten. Oder Eva Seufert, deren Lichtinstallation ab kommendem Montag zu sehen ist. Eine Woche lang, jeden Abend zwischen 19.30 und 23 Uhr, für absichtliche Hinschauer und zufällige Passanten. Auch ein Zitat von Berlinflaneur Walter Benjamin wurde schon auf die weiße Rückwand projiziert. „Aufmerksamkeit gegenüber dem Ort“ nennt Philipp Ekardt solche Bezüge, Aufmerksamkeit gegenüber den Bedeutungsschichten, die sich auf dem Pflaster überlagern.

Katarina Burin und Matt Saunders, beide bildende Künstler und zu Beginn des Jahrtausends aus den USA nach Berlin gekommen, sowie Jan Kedves, Kultur- und Musikjournalist, komplettieren das Institut-Kollektiv, dessen Namen im Übrigen, so Philipp Ekardt, keine postmoderne Pointe ist: „Ich würde schon sagen, dass unser Antrieb ein Forschungsinteresse ist.“ Es gehe ihnen um etwas anderes als nur „um den nächsten coolen, hippen Platz“. Diskurse zu Kunst und Kultur, Debatten zum Stadtraum, zu Musik oder zu Mode will man anstoßen und begleiten. Will auch das Flüchtige, Transitorische des Ortes nutzen, diese Glasfassade, durch die sich der Pavillon mit der Stadt unterhält. „Wissensvermittlung“ soll durchaus auch auf dem Klingelschild stehen. Nur eines ist das „Institut im Glaspavillon“ ganz bewusst nicht – ein Club. Höchstens Mixtapes sollen laufen. Wie ein Stück romantisierende Erinnerungsarbeit. Und das ist ja auch schon wieder irgendwie trendig.

www.glaspavillon.net