Die Sozis wollen in die Kita-Show

SPD-Chef Beck wirft Familienministerin von der Leyen Ahnungslosigkeit vor: „Heilige Johanna der Kinderbetreuung ohne Schwert“. Muss Grundgesetz korrigiert werden, damit Bund, Länder und Gemeinden 750.000 Kitaplätze aufbauen können?

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

In Sachen Bildungspolitik lässt sich Kurt Beck von niemandem etwas vormachen. Der SPD-Chef und Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz hat bei Ganztagsschulen und Umsonstkindergärten seit Jahren die Nase vorn. Weil die Bundesfamilienministerin ihm jetzt ins Gehege gekommen ist, blaffte er Ursula von der Leyen (CDU) an, als wäre sie eine dumme Gans.

Die Ministerin sei „erschreckend ahnungslos“, urteilte Beck über von der Leyen, weil sie ein verpflichtendes Vorschuljahr gefordert hatte. Ein solche Maßnahme könnte allein von den Bundesländern ergriffen werden, weil die Bildung in ihrer Zuständigkeit liege. Von der Leyen solle sich „nicht als Heilige Johanna der Kinderbetreuung aufspielen, wenn sie nicht einmal ein Schwert hat“. Die SPD werde für den Ausbau Finanzierungsvorschläge ausarbeiten, kündigte der SPD-Chef an.

Ursula von der Leyen (SPD) bringt derzeit nicht nur die eigene Partei auf die Palme, weil sie den massiven Ausbau von Tagesplätzen für Kinder unter drei Jahren fordert. Sie stiehlt damit der SPD die Schau, die sich ein Plus von 750.000 Kitaplätzen auf ihre Fahnen schreiben wollte. Allerdings bleibt die Ministerin vage, wenn es ums Geld geht. Seit der Föderalismusreform ist eine direkte Bundesfinanzierung von Kitaplätzen in Kommunen unmöglich geworden, weil laut Verfassung durch „Bundesgesetz Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden dürfen“.

So herrscht Unsicherheit darüber, wie ein Ausbau der Kitaplätze bis zum Jahr 2013 verfassungskonform finanziert werden könnte. „Man muss sicher auch über eine Änderung des Grundgesetzes nachdenken“, sagte die familienpolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Christel Humme, der taz. Die familienpolitische Sprecherin, der CDU, Ilse Falk, äußerte sich ähnlich. Man müsse auch über eine Grundgesetzänderung diskutieren, sagte Falk, „denn Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung sind Länderthemen.“

Aus Kreisen der Länder wie auch einer Fachkommission der SPD heißt es hingegen, für den gemeinsam getragenen Ausbau der Kitas sei eine Verfassungsänderung nicht nötig. Bund und Länder könnten bei den Kitas über das Kinder- und Jugendhilferecht kooperieren. Allerdings seien Festlegungen über die Qualität der neu entstehenden Kindertageseinrichtungen durch den Bund nicht möglich, heißt es. Das sei der Preis der ersten Föderalismusreform. Die war so rigide ausgefallen, weil die Länder ein neuerliches Ganztagsschulprogramm durch den Bund verhindern wollten. Die Bevölkerung hatte die Ganztagsschulen mehrheitlich begrüßt. Die Länder sind an der baulichen Erweiterung von Schulen zu Ganztagsschulen nur minimal beteiligt, Personalzuschüsse verweigern sie bis heute.

Der Ausbau der Kinderbetreuung dürfte ähnlich kompliziert werden. Zwar begrüßen 82 Prozent der Menschen den Ausbau von Kleinkindkitas. Aber die Finanzierung bleibt umstritten. Die Vorsitzende des Bildungsausschusses des Bundestags, Ulla Burchhardt (SPD) sagte: „Manch einer merkt erst jetzt, was er sich mit der Föderalismusreform eingebrockt hat.“ Alle wollten den Kitaausbau – aber die Verfassung verbiete geradezu die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden.

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