Politisch gewolltes Puzzlespiel

Verhandlungserfolg im Airbus-Streit: Die Franzosen sollen den A 350 bekommen und die Deutschen dafür den A 320. Sanierungsprogramm soll dezentrale Struktur straffen

BERLIN taz ■ Die deutsche Seite hat im Tauziehen um die Produktionsstandorte von Airbus möglicherweise einen ersten Erfolg erzielt. Nach Informationen von Focus soll das Erfolgsmodell A 320 künftig in Hamburg gebaut werden. Im Gegenzug dafür soll Frankreich den Zuschlag für die Endmontage des A 350 bekommen. Teile des geplanten Langstreckenfliegers sollen aber auch in Norddeutschland produziert werden. Am Streit über die Aufteilung der A 350-Herstellung scheiterte bislang die Einigung auf das Sanierungsprogramm „Power8“, das die Straffung der Produktion vorsieht.

Auf 16 Standorte in vier Ländern ist die Produktion eines einzelnen Flugzeugs bisher verteilt. Riesige Einzelteile müssen hin und her geschippert und geflogen werden. Das ist teuer und leistet Kommunikationsproblemen und somit Fehlern Vorschub. Die dezentrale Struktur war jedoch von Anfang an politisch gewollt. Die Regierungen in Frankreich und Deutschland, die das Airbus-Konsortium 1970 mit einem Staatsvertrag besiegelten, und später auch Großbritannien und Spanien stellten großzügige Fördermittel bereit. Dafür bestanden sie darauf, auch Teile der Fertigung zu bekommen.

Insgesamt beschäftigt Airbus rund 51.000 Leute: 18.800 in Deutschland, 16.000 bei Airbus Frankreich, etwas über 9.000 in Großbritannien, nicht ganz 3.000 in Spanien sowie noch einmal knapp 4.000 am Hauptsitz in Toulouse. Kein einziges Flugzeug wurde bisher in nur einem Land gefertigt.

Besonders kompliziert ist die dezentrale Fertigung bei dem bislang ambitioniertesten Projekt, dem Großraumflugzeug A 380. Hier arbeitet Airbus mit rund 120 Entwicklungs- und Zuliefererunternehmen aus Europa, den USA, Japan und China zusammen. 16 Standorte in den Airbusländern, darunter alle sieben deutschen, stellen Flugzeugsektionen her, die in Toulouse oder Hamburg endmontiert werden. Die Flügel etwa kommen aus dem britischen Broughton, der Bug aus Hamburg-Finkenwerder. Das Seitenleitwerk produziert das Werk in Stade, das Höhenleitwerk entsteht im spanischen Getafe, die Flugsteuerung im französischen Toulouse, die Außenhaut in Nordenham und Bremen. Montiert wird das Ganze in Toulouse, wo auch die Triebwerke hinzukommen, die Airbus extern einkauft.

In diesem System sind die einzelnen Werke notwendigerweise hochspezialisiert. So gibt es in Varel und Nordenham eine hohe Kompetenz beim Umgang mit Aluminium. Während aber der A 380 noch zu 60 Prozent aus Aluminium besteht, plant Airbus für das neue A 350-Modell bereits 60 Prozent neue Materialien ein, zum Großteil innovative Kohlefaser-Verbundstoffe.

Von den deutschen Standorten ist jedoch nur Stade in der Lage, sie serienmäßig zu produzieren. Deshalb ist der Kompromissvorschlag von Airbus-Chef Louis Gallois nachvollziehbar, die Deutschen nicht am Bau des A 350 zu beteiligen, der bis 2013 fertig gestellt sein soll. Dafür sollen sie das Nachfolgemodell des A 320 bekommen, für das es noch keinen Termin gibt. Es wird aber ebenfalls größtenteils aus dem neuen Kunststoff gebaut werden. Die Sorge, dass Deutschland in dieser Technologie abgehängt wird, dürfte also ungerechtfertigt sein.

Schon jetzt entsteht ein Teil der A 320-Familie in Hamburg. Der A 320 ist das beliebteste Modell des Konzerns und damit ein Milliardenmarkt. Tatsächlich trägt schon der jetzige A 320 40 Prozent am Gesamtumsatz von Airbus bei. Keine schlechten Aussichten also für die deutschen Standorte. BEATE WILLMS