Zeit für den Festplattenputz

Auch wenn es schwerfällt: Zum Frühlingsanfang muss der Lieblingsspam weg

„Deggendorf“ steht auf der Liste der „dirty words“inzwischen ganz oben

Der Frühling, der edle Frühling naht sich unabänderlich. Zeit, ein bisschen aufzuräumen. Nicht nur in den Schränken und unter den Bänken hat sich allerlei Unvergessliches angesammelt, auch der Lieblingsspam muss weg. Mein Spam setzt sich aus drei großen Sachgebieten zusammen. Erstens: Enlarge Your Penis. Zweitens: Geldinstitute, bei denen ich nicht Kunde bin. Drittens: der Rest.

Wenn ich für jede „Enlarge-your-Penis“-Mail, die ich in meinem Mail-Leben erhalten habe, mein primäres Geschlechtsteil um einen Millimeter hätte vergrößern lassen, wäre es heute so lang wie eine Anakonda, und ich könnte es als Abschlepptrosse preisgünstig vermieten. Zum Glück ist es so weit nicht gekommen, denn meine Hochleistungssicherheits-Software erkennt den betrügerischen Gehalt derartiger Nachrichten mittlerweile im Handumdrehen. Nicht immer, aber immer öfter.

Was mich allerdings nachdenklich stimmt, ist der Umstand, dass ich ausschließlich Spam erhalte, die an eine männliche Zielgruppe gerichtet ist. Noch nie habe ich eine Mail bekommen, die mir vorschlägt: „Enlarge your Breasts“ oder „Enlarge your Schuhregal“. Oder eine andere Botschaft, die eventuell auf atavistische, im Verborgenen schlummernde Wünsche von Frauen abzielen könnte. Woher wissen die das?

Gut, hinter einer Adresse bier-formte-diesen-wunderbaren-koerper@yahoo.de wird sich vermutlich ein Mann verbergen. Aber ich hatte einige Zeit die Adresse abc.xyz@gmx.info. Geschlechtsneutraler geht es kaum. Trotzdem verging kein Tag ohne Vergrößerungsofferten. Wenn auch sonst vieles im Argen liegt bei der Gleichstellung, wenigstens ist der Werbemüll gendergemainstreamt.

Der typische Bankenspam geht so: „Lieber Kunde, wenn Sie uns nicht binnen drei Minuten alle PIN und alle TAN, die Sie besitzen, an unsere obige Adresse mailen, wird Sie unser gut ausgebildetes Rollkommando besuchen, das im Wagen vor Ihrer Haustür wartet, und Sie pfählen, häuten und vierteilen. Wir sind zu dieser Maßnahme gesetzlich verpflichtet. Mit freundlichen Grüßen, Ihre Kreissparkasse Deggendorf.“

Für den Laien ist so etwas nicht ohne weiteres als Betrugsmanöver zu durchschauen. Viele Menschen haben auf diese Weise Hab und Gut, PIN und TAN verloren. Meine Spamsoftware ist da gewitzter. „Deggendorf“ steht auf der Liste der dirty words ganz oben, noch vor „Enlarge“.

In der dritten Gruppe von Spam wechseln die Moden. „Get free Viagra now“ ist zum Glück ebenso vorbei wie jene afrikanischen Königssöhne, die ihren Staatsschatz bar bei mir hinterlegen wollten, weil gerade Bürgerkrieg bei ihnen war. Eine Nachricht zum Thema Vermögensverwaltung habe ich mir allerdings seit Dezember 2004 aufgehoben: „Dear Friend, I am Mrs. Suha Arafat, the wife of Yasser Arafat, the President of the Palestinian Liberation Organisation (P.L.O.) who died recently in Paris.“ Was soll man darauf antworten: Liebe Suha? Sehr geehrte Frau Arafat? Jedenfalls hatte sie finanzielle Probleme. Fieslinge aus dem Umfeld ihres verstorbenen Gatten wollten ihr das Vermögen abspenstig machen. „I have therefore deposited the sum of 18 million dollars with a security firm abroad whose name is withheld for now until we open communication.“ Dann hat sie gefragt, ob sie das Geld bei mir ablegen kann, bis die Lage klarer geworden ist. Ich hätte ihr einen Korb geben müssen, denn der Keller war voll. Seit vielen Jahren kommen jeden Morgen meine vier habilitierten Praktikanten mit ihren geleasten Heugabeln, um 16 Stunden lang das Geld von Dick Cheney (alles Franken) und Saddam Hussein (alles Dollar) zu wenden und zu belüften. Mehr geht nicht. Es gibt eine Warteliste.

Auch eine andere Mail hatte mein Herz im Sturm erobert: „Wir wenden uns heute in einer außergewöhnlichen Sache an Sie, weil Sie im weitesten Sinne in der Medienbranche tätig sind.“ Das fing gut an und wurde noch besser. „Ein uns freundschaftlich verbundener Verlag sucht einen Nachfolger bzw. einen Käufer. Dieser Verlag ist Herausgeber einer vornehmlich in Deutschland monatlich erscheinenden Anzeigenzeitung, die sich mit gebrauchten Baumaschinen, Nutzfahrzeugen, Baugeräten, Gabelstaplern, Landmaschinen usw. beschäftigt. Es handelt sich dabei um einen relativ kleinen Verlag, der mit wenigen Mitarbeitern zu bewältigen ist – bei entsprechendem Fleiß sogar alleine. Der Verlag erwirtschaftet Gewinne und besitzt ein großes Entwicklungs-Potenzial.“

Lange habe ich gezögert und das Für und Wider abgewogen. Seit Kindesbeinen habe ich eine ausgeprägte Schwäche für gebrauchte Nutzfahrzeuge. Meine Mähdrescher-Sonette liegen seit Jahren ungedruckt in der Schublade, weil im innovationsfeindlichsten Land der Welt die Verlage mit Zurückhaltung auf Lyrik zu landwirtschaftlichen Themen reagieren. Vielleicht habe ich damals die Chance meines Lebens verpasst und wäre heute – bei entsprechendem Fleiß – glücklich mit meiner Kuschel-Egge.

Dennoch heißt es jetzt Abschied nehmen von den Nutzfahrzeugen und der Witwe Arafat. Denn der Frühling, ach der holde Frühling, kommt ja schon bald. Und er bringt uns neues Licht, neue Wärme, neuen, besseren Spam. ROB ALEF