Hospital der Geister

„Mein alter Freund Fritz“ (20.15 Uhr, ZDF) changiert zwischen Kritik an der Gesundheitsindustrie und Spital-Romanze. Und am Ende kommt Herr Wulff

VON STEFAN REINECKE

Chefarzt Harry Seidel (Ulrich Tukur) rauscht ins Krankenzimmer, teilt dem Patienten knapp mit, dass leider nichts mehr zu retten ist, und muss dann weiter. Er glaubt an den Fortschritt, das Machbare und an sich selbst. Er kämpft tapfer gegen Einsparungen, denn das Krankenhaus muss Profit abwerfen. Seidel ist eine erfreulich zwiespältige Figur – zu egoman, um wirklich sympathisch zu sein.

Dann verunglückt er mit seinem Auto, und in dem Moment, in dem er fast stirbt, hat er eine Halluzination: Sein alter Freund Fritz, der vor zwanzig Jahren starb, erscheint ihm – und verschwindet auch nicht, als Seidel wieder gesund ist. Fritz (Maximilian Brückner) sitzt fortan neben seinem Ehebett, schaut ihm beim Zähneputzen über die Schulter, kritisiert ihn, wenn der Chefarzt der jungen Ärztin schöne Augen macht.

Dass ausgerechnet dieser Homo faber Seidel, der doch nur an das Rationale glaubt, Geister sieht – diese Pointe ist hübsch: Alle wundern sich, warum der Chef dauernd Selbstgespräche führt. Der Plot ist nicht übel – auch wenn das Gespenst, das nur der Held sieht, keine ganz neue Erfindung ist und manche Szene mehr Tempo bräuchte. Immerhin wirkt dieser Plot für einen deutschen Fernsehfilm, in dem es doch sehr vernünftig zuzugehen hat, erfreulich abgedreht.

„Mein alter Freund Fritz“ versucht einen recht originellen Genremix: ein bisschen Märchen, etwas Boulevardkomödie, etwas Midlife-crisis-Drama, ein bisschen Kritik am Gesundheitskommerz, etwas Krankenhausfilm inklusive der Affäre zwischen der neuen jungen Ärztin und dem Chefarzt. Ulrich Tukur spielt den Professor mit kühler technokratischer Arroganz, auch Veronika Ferres hält sich als genregemäß leicht frustrierte Chefarztgattin recht gut. Hier und da scheint Autor und Regisseur Dieter Wedel mit dem Aufgeräumten und Sterilen, das so typisch für deutsche Fernsehfilme ist, zu brechen. Im Krankenhaus reden sogar mal, wie bei Robert Altman, alle durcheinander. Es blitzt auch selbstreferentielle Ironie auf – etwa wenn der intrigante Verwaltungsdirektor (Uwe Bohm) sagt, dass der Verwaltungsdirektor in Krankenhausserien eben immer intrigant ist. Aber das bleiben Ansätze.

Letztlich wirkt „Mein alter Freund Fritz“ doch so aufgeräumt wie Seidels moderne Professorenvilla, die so aussieht, wie Villen in deutschen Fernsehproduktion immer aussehen: teuer, stylish, und nirgends liegt eine alte Zeitung herum.

Am Ende ist alles wieder gut: der Held geläutert – er hat verstanden, dass ein guter Arzt ein guter Mensch sein muss. Die Ehe: gerettet, die Affären: beendet. Das Krankenhaus ist erfolgreich wie nie, Kommerz und Moral sind irgendwie versöhnt.

Auch das Gespenst Fritz ist verschwunden – wir haben gelernt, dass es gar keine Geister gibt und Fritz nur Chiffre eines unterdrückten Schuldgefühls war. Wie schade. Als wäre das nicht genug, taucht am Ende auch noch der leibhaftige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) auf, schüttelt Hände und hält eine Rede zur Einweihung des erweiterten Krankenhauses: Die Welt ist wieder in Ordnung. Und das ist dann richtig gespenstisch.