Aussicht auf Bummelzüge

Reparaturen am abgenutzten Schienennetz werden Betrieb behindern. Bahn macht Güterzüge verantwortlich. Engpässe oft selbst verschuldet

Selbst Fernstrecken werden wochenlang nur eingleisig befahrbar sein

VON ANNETTE JENSEN

Wer im Frühjahr den Zug benutzen will, sollte sich eine Stulle mehr einstecken: Die Deutsche Bahn (DB) will an vielen Stellen ihres Schienennetzes Reparaturen durchführen. Massive Verspätungen sind damit absehbar, schreibt das Handelsblatt und beruft sich auf ein internes Papier der Bahn. Angeblich haben schwere Güterzüge die Schienen unerwartet stark abgenutzt, sodass jetzt eine Generalsanierung ansteht. Selbst Fernverkehrsstrecken werden wochenlang nur eingleisig befahrbar sein, einige Züge sollen sogar ganz gestrichen werden, heißt es.

Die DB Netz wollte sich gestern dazu nicht äußern. „Wir bauen ständig am Netz, und dabei kommt es dann natürlich auch zu Behinderungen“, sagte ein Sprecher lapidar. Noch letzte Woche hatte die Bahn Informationen über einen Bundesrechnungshofbericht zurückgewiesen. Darin belegen die staatlichen Kontrolleure, wie die DB das Schienennetz systematisch vernachlässigt hat. Zugleich versucht das Unternehmen zunehmend, den schlechten Zustand der Infrastruktur zu vertuschen: Anders als früher finden sich im aktuellen Instandhaltungsbericht keine Angaben über die Zahl von Langsamfahrstellen. Außerdem kritisiert der Rechnungshof scharf, dass das Eisenbahnbundesamt im Herbst 2006 eine Sonderprüfung von Signalanlagen und Schienen abgeblasen hat, nachdem die DB zugesichert hatte, sich selbst um die Probleme zu kümmern. „Das Eisenbahnbundesamt darf seine Aufsichtspflicht nicht auf das beaufsichtigte Unternehmen übertragen“, schreibt der Rechnungshof. Das sei „nicht hinnehmbar“.

Die Meldungen kommen der Bahn sehr ungelegen. Am 7. März trifft sich der Verkehrsausschuss des Bundestages, wo es erneut um die Privatisierung der DB gehen wird. Die DB stellt sich selbst stets als einzig zuverlässige Hüterin des Schienennetzes dar – und hat davon auch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee überzeugt. Dessen vorläufiger Gesetzesentwurf sieht vor, dass die DB die Infrastruktur weiterhin bewirtschaften und bilanzieren darf, auch wenn ein Teil des Unternehmens verkauft wird. Gegner kritisieren, dass der Staat dann wie bisher fürs Netz zahlt, aber noch weniger Einfluss und Einblick hat als heute.

Kapazitätsprobleme gibt es heute vielerorts im deutschen Schienennetz. Nötig wären sie oft nicht, wie ein Beispiel aus Hamburg zeigt: Südlich vom Hafen stauen sich dort derzeit regelmäßig die Züge mit Containern, weil sie vor ihrer Fahrt gen Süden andere Gleise queren müssen. In einem internen Papier, das der taz vorliegt, hat die DB Netz ausgerechnet, dass ein Tunnel sich in weniger als dreieinhalb Jahren amortisieren würde. Bis zu 700 Güterzüge am Tag könnten dann zusätzlich abgefertigt werden. Doch obwohl der Bedarf seit Jahren absehbar ist, investierte die DB zur Entlastung solcher Knotenpunkte fast nichts. „Wir haben bisher keine Trassennachfrage ablehnen müssen“, redet der Bahnsprecher die Probleme klein. Dass ein besseres Angebot die Nachfrage erhöhen könnte, kommt in dieser Perspektive nicht vor.