„Es gibt keine Flügelkämpfe“

Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig wehrt sich gegen parteiinterne Kritik an ihrem Führungsstil. Sie will inhaltlich punkten: mit einem Vorzeigebezirk für ein soziales Berlin und geballter Oppositionsschelte für Rot-Rot

taz: Frau Eichstädt-Bohlig, gegenüber der taz haben Ihnen Grünen-Abgeordnete Führungsschwäche vorgeworfen. Das wurde auch Thema des Parteitags am Samstag. Was sagen Sie diesen Parlamentariern?

Franziska Eichstädt-Bohlig: Diese Abgeordneten sollen ihre Kritik an mich richten. Denn bislang gab es diese Diskussion gar nicht. Ich glaube auch, dass sie verfrüht ist. Die von 14 auf 23 Köpfe gewachsene Fraktion hat drei Monate gebraucht, um sich neu zu sortieren. Jetzt gehen wir die Inhalte verstärkt an: Bildungs- und Energiepolitik, Ökoinvestitionen zur Stärkung der Wirtschaftskraft.

Viel war von Flügelkämpfen in der Fraktion zwischen Linken und Realos die Rede. Ein Problem für Sie als Vorsitzende?

Kein Problem. Es gibt auch keine Flügelkämpfe, eher Diskussionen, wie wir mit Linkspartei, SPD, CDU und FDP umgehen.

Die Kritik an Ihnen kristallisierte sich ja an Ihrer Haltung zu Schwarz-Grün. Der Parteitag unterstützte Ihren Leitantrag, sich gegenüber SPD wie CDU offen zu zeigen. Was haben Union und Grüne gemein?

In der Opposition müssen wir die Kräfte bündeln. Wir wären dumm, die derzeitige Schwäche von Rot-Rot nicht zu nutzen. Das ist gelungen bei der Ehrenbürgerwürde für Wolf Biermann und beim Nachtragshaushalt. Ansonsten sehe ich noch wenig Gemeinsamkeiten. CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger setzt zwar auf das Thema erneuerbare Energien, aber ob seine Partei da mitmacht, ist noch sehr unsicher.

Sie trauen Schwarz-Grün nicht ganz?

Nein. Aber es wird schon interessant, wenn die CDU im Jahr 2011 bei der Energiepolitik Grünen-Politik vertritt.

Mit CDU und FDP bestreitet Ihre Partei Mitte März eine „Berlin-Konferenz“, die innovative Vorschläge für den Umbau Berlins liefern soll. Werden Ihre Gemeinsamkeiten nicht schnell erschöpft sein?

Wir Oppositionsparteien sind ja keine feste Einheit. Mit der Konferenz wollen wir aufzeigen, dass Rot-Rot es versäumt hat, eine wichtige Frage zu beantworten: Was folgt aus der verlorenen Haushaltsklage in Karlsruhe? Da ist Rot-Rot in Bewegungslosigkeit erstarrt. Berlin muss lernen, trotz leerer Kassen Ideen für die Zukunft der Stadt zu entwickeln. Und dafür brauchen wir auch die Expertise externer Fachleute.

Angesichts wachsender Gemeinsamkeiten muss Ihre Partei unterscheidbar bleiben. Wie wollen Sie Grünen-Themen Gehör verschaffen?

Wir wollen Themen vorantreiben, die die Stadt bewegen und von Rot-Rot vernachlässigt werden: Bildung, Integration, ökologische Innovation, Verwaltungsreform, Soziales.

Klingt reichlich abstrakt.

Ist es nicht. Wir wollen in einem Bezirk oder größeren Stadtteil beispielhaft zeigen, wie Sozial-, Bildungs- und Integrationspolitik erfolgreich gebündelt werden können. Nennen wir es „Kreuzberg 2“, es könnte aber auch Wedding oder Neukölln sein. Wir sind da noch beim Ideensammeln.

Ein Kiez soll zum Vorbild für ganz Berlin werden?

Wenn Sie so wollen. So oft ist die Rede von der Notwendigkeit zur Integration, ohne dass etwas daraus folgt. Zum Beispiel wollen wir Schulen und Nachbarschaftszentren zusammenbringen. Wir wollen an einer räumlichen Einheit endlich einmal zeigen, wie die oft geforderte „soziale Stadt“ aussehen könnte.

INTERVIEW: ULRICH SCHULTE
MATTHIAS LOHRE