Wo Musik lebendig ist

MUSIKPROJEKT Mit seinem Projekt „Playing for Change“ bringt Toningenieur Mark Johnson nicht nur MusikerInnen aus aller Welt zusammen. Mit Musikschulen kümmert er sich auch um den Nachwuchs

VON KNUT HENKEL

Lachen muss Mark Johnson, wenn er sich an die Geburtsstunde seines ambitionierten Musikprojekts „Playing for Change“ erinnert. Denn die Idee dazu kam dem erfolgreichen Produzenten und Filmregisseur, als er auf dem Weg vom Studio nach Hause war – in einem der U-Bahn-Schächte von New York. Da standen zwei Nonnen in ihrer weißen Ordenstracht, die eine sang, die andere spielte Gitarre. „Und niemand kümmerte sich um die U-Bahn, die einfuhr“, erinnert sich Johnson. „Die Leute auf dem Bahnsteig lauschten ergriffen der Musik, obwohl die Nonne in einer anderen Sprache sang.“ Da habe es bei ihm Klick gemacht.

Der Toningenieur hatte begriffen, dass er nicht länger im New Yorker Studio verharren konnte, in dem er mit Paul Simon, Keith Richards und anderen Größen der Musikszene gearbeitet hatte. Er wollte dort aufnehmen, wo Musik lebendig ist: In den Straßen von Bogotá, von Bamako, Kigali, Katari – oder im kalifornischen Santa Monica.

Eben dort traf Johnson auf der Strandpromenade schließlich auf den Sänger Rodger Ridley, gewissermaßen der zweite Geburtshelfer des globalen Musikprojekts. Beinahe sei er von der Bank gefallen, erzählt Johnson: Ridley habe geklungen wie die Wiederauferstehung von Otis Redding. Der Song, den Johnson nach dem Treffen mit Ridley in einem Dutzend Länder aufnahm und zusammenschnitt, wurde denn auch zu einem Markenzeichen von „Playing for Change“. Mehr als 62 Millionen Mal wurde „Stand By Me“ auf Youtube geklickt.

Ridley hätte auf seine alten Tage noch zum Star werden können. Doch das interessierte den Mann mit der bluesigen Soulstimme gar nicht. Der 2005 verstorbene Sänger hatte sein Publikum in der Fußgängerzone von Santa Monica, spielte dort mit aller Inbrunst seine Songs – von „Bring it on home“ bis „Respect“. Das war ihm genug.

Seitdem hat Mark Johnson mit rund 600 Musikern in 45 Ländern aufgenommen. In den ersten Jahren waren es vor allem Cover-Versionen von Evergreens wie „Imagine“, „Gimme Shelter“ oder dem Bob Marley-Klassiker „Redemption Song“, die Johnson in vielen verschiedenen Ländern mit Dutzenden von Musikern einspielte. Heute sind es mehr und mehr Eigenkompositionen der „Playing for Change“-Band.

Die entstand mehr oder minder aus Zufall. „Zur Einweihung der ersten Playing for Change-Schule brauchten wir natürlich auch Musik. Also entstand die Band“, erinnert sich Johnson. Elf Musiker aus acht Ländern gehören der Gruppe heute an, zentrale Integrationsfigur ist Grandpa Elliott: Er kann mit allen, ist Vaterfigur, Bruder, Kumpel – und obendrein mit seiner Mundharmonika, der wandelbaren Blues-Stimme und seiner unschlagbaren Bühnenpräsenz eine musikalische Offenbarung. Auch die Sängerin Titi Tsira, die Mark Johnson an Soul-Legende Aretha Franklin erinnert, stieß nach der Eröffnung einer Musikschule im südafrikanischen Gugulethu zur Band.

Die Idee zu den Musikschulen hingegen, die kam nicht von Johnson und seiner Partnerin Whitney Kroenke, die ebenfalls von Beginn an dabei ist und für die Videos zuständig ist. Entstanden ist sie in den Städten und Dörfern, in denen die beiden aufnahmen und filmten. „Wir fragten, was wir tun können“, erzählt Johnson. „Die Antwort: Unsere Kinder brauchen Hoffnung und Perspektive, wir brauchen eine Musikschule.“

Die Einnahmen aus den bis dahin drei Alben, aus Videos und Konzerten wurden in eine Stiftung gesteckt, die sich seitdem für die Gründung der Schulen des Projekts einsetzt. Neun Schulen in sechs Ländern – darunter Thailand, Nepal, Ghana und Südafrika – sind es bislang. Das Besondere: Sie bleiben nicht im Besitz der Stiftung, sondern gehen an die jeweiligen Gemeinden über.

Ein Modell, das nicht nur die illustren Förderer von „Playing for Change“ wie Weltmusikikone Manu Chao oder den malischen Koravirtuosen Toumani Diabaté überzeugt hat, für den „Playing for Change“ Familie und Friedensbewegung in einem ist: „Wo die Politik versagt, funktioniert die Musik“, erklärt der 48-Jährige. Sie überwinde das Trennende und schaffe etwas Gemeinsames. Und so haben sich Johnson und Kroenke nicht nur in Südafrika den Respekt der Gangs erworben. Selbst im Kongo waren die beiden nicht in Gefahr und konnten viele der Songs der aktuellen CD einspielen.

Einige davon werden am Mittwoch auch beim Konzert von Grandpa Elliott und der Playing for Change-Band im Knust zu hören sein.

■ Mi, 30. 7., 21 Uhr, Knust