Streit um Videoüberwachung

Die BVG plant eine flächendeckende Videoüberwachung in allen U-Bahnhöfen. Jetzt will sich der Datenschutzausschuss des Abgeordnetenhauses mit dem umstrittenen Vorhaben beschäftigen. Grüne: Das Thema wird noch einmal aufgerollt

VON RICHARD ROTHER

Die von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) geplante flächendeckende Videoüberwachung auf allen U-Bahnhöfen ist noch nicht in trockenen Tüchern. Das hofft zumindest der Grünen-Datenschutzexperte Benedikt Lux. „Das ganze Thema wird in der nächsten Woche noch einmal aufgerollt.“ Am 6. März tagt der Ausschuss „Datenschutz und Informationsfreiheit“ des Abgeordnetenhauses. Dazu sollen auch Verantwortliche aus der Innenverwaltung und der Verkehrsbetriebe geladen werden.

Die BVG plant, bis Ende 2007 in alle U-Bahnhöfen Kameras zu installieren und die Aufnahmen 24 Stunden lang zu speichern. Anschließend sollen die Daten gelöscht werden, wenn es keine besonderen Vorkommnisse gab. Andernfalls bekommt die Polizei das Material zur Auswertung. Bis 2010 sollen alle Busse und Straßenbahnen mit Kameras ausgestattet werden. Seit April 2006 läuft ein umfassendes Pilotprojekt auf U-Bahnhöfen. Hier wirke die Überwachung, heißt es bei der BVG. „Wo die Kameras laufen, passiert weniger.“ Das städtische Unternehmen möchte mit der flächendeckenden Überwachung des Nahverkehrs Vandalismus eindämmen und potenzielle Verbrecher abschrecken.

Der Grünen-Abgeordnete Lux fordert die BVG auf, keine Tatsachen zu schaffen, bevor das Modellprojekt ausgewertet und parlamentarisch beraten sei: „Nicht jeder U-Bahn-Fahrgast ist ein potenzieller Verbrecher.“ Videoüberwachung allein schaffe keine Sicherheit, wenn gleichzeitig das Service- und Sicherheitspersonal abgebaut werden. In London zeige sich, dass die Totalüberwachung nicht zu weniger Verbrechen führe.

Das Pilotprojekt war im vergangenen Jahr erst nach längerem Streit mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten Alexander Dix über die Bedingungen der Videoüberwachung zustande gekommen. Laut der damaligen Vereinbarung soll ein unabhängiger Wissenschaftler nach dem Ende des Pilotprojekts die Erfahrungen mit den Aufzeichnungen bewerten. „Das gilt für uns weiterhin“, so Anja-Maria Gardain, die Sprecherin des Datenschützers.

Um die BVG in ihrem Vorhaben zu stoppen, gibt es mehrere Wege. Zunächst könnte der Besitzer des Unternehmens, das Land Berlin, eingreifen. Dass sich der rot-rote Senat tatsächlich dazu durchringt, bezweifelt allerdings der Grünen-Abgeordnete Lux. Anders gelagert wäre eine Intervention des Datenschutzbeauftragten. Der kann zwar ein solches Vorhaben nicht verhindern, aber in seinem jährlichen Bericht beanstanden. Unabhängig davon könnten betroffene Bürger – also alle Fahrgäste – eine Unterlassungsklage gegen die BVG einreichen. In einem solchen Gerichtsverfahren könnte ein negatives Votum der Datenschützer durchaus Gewicht bekommen.

Dass Videoüberwachung Straftaten nicht verhindern kann, zeigt auch der Fall Mitja aus Leipzig. Der Neunjährige wurde in der vergangenen Woche entführt, missbraucht und ermordet – ein Fahndungsfoto zeigt den mutmaßlichen Täter neben dem Jungen in einer Straßenbahn sitzen. Allerdings führte das Foto zur Identifizierung des Täters, wodurch nach einer möglichen Festnahme zumindest Wiederholungstaten verhindert werden könnten.