Die Debatte um Obama ist spalterisch“

In den US-Feuilletons streitet man, ob Barak Obama, Kind eines Kenianers und einer Weißen, die schwarze Community in den USA repräsentieren kann. Doch das ist die falsche Debatte, so der Publizist Mark Lloyd

taz: Mister Lloyd, der demokratische Präsidentschaftskandidat Barrack Obama gewinnt derzeit in Umfragen „dramatisch“, so die „Washington Post“, an Sympathie bei schwarzen Wählern. Hillary Clinton hat bereits die Hälfte ihrer Sympathisanten unter AfroamerikanerInnen verloren. Warum?

Mark Lloyd: Weil die afroamerikanische Community sich inzwischen ein besseres Bild von Barack Obama gemacht hat. Obama ist ja ein Neuling in der Politik, der nun bekannter wird. Er ist seit seiner Kandidatur dauernd medial präsent, das bringt ihm jetzt Zuspruch. Aber es ist wirklich zu früh, um zu prognostizieren, ob Obama oder Hillary Clinton bessere Chancen haben, US-Präsident zu werden.

Hillary Clinton ist, trotz dieses aktuellen Meinungsumschwungs, recht beliebt unter schwarzen US-Amerikanern. Warum?

Vor allem wegen ihres Ehemanns. Denn Bill Clinton hat sich in außergewöhnlichem Maße für die Gleichberechtigung stark gemacht hat. Er hat sich konsequent für die „affirmative action“, also die positive Diskriminierung eingesetzt, und er scheint wirklich zu verstehen, was Menschen in den USA durchmachen, die arm und chancenlos sind. Als vor kurzem Coretta Scott King, die Witwe Martin Luther Kings, beerdigt wurde, hielt Clinton spontan eine herausragende Rede. Er spricht einfach die Sprache dieser Community. Davon profitiert Hillary Clinton natürlich.

Es gibt in den US-Feuilletons derzeit die Debatte, ob Barak Obama wirklich „schwarz“ genug für die schwarze US-Community ist. Weil sein Vater aus Kenia stamme, so die These, teile Obama die historischen Erfahrungen der schwarzen Community in den USA nicht. Ist da etwas dran?

Ich finde das lächerlich und wundere mich, wie hartnäckig darüber diskutiert wird. Ich habe Obama ein paarmal live gesehen und muss sagen – bitte, was außer einem Afroamerikaner soll er sein?

Ist diese These also eher eine Phantasie konservativer Weißer?

Sie kommt zum Teil aus der republikanischen Ecke – also von Leuten, die noch immer glauben, es gäbe Massenvernichtungswaffen im Irak. Ich verstehe die Debatte wirklich nicht. War Muhammad Ali schwarz genug, um zu boxen? War Bing Cosby schwarz genug, um Millionär zu sein? Worum geht es denn eigentlich?

Mit Obama kommt der unterschwellige Aspekt von „Race“ und fortwährender Diskriminierung an die Oberfläche. So egal, wie Sie jetzt meinen, ist seine Hautfarbe also keineswegs.

Ja, damit haben Sie Recht. Obamas Kandidatur provoziert einen konstruktiven Dialog über das Verhältnis der Rassen zueinander. Obama überzeugt auch diejenigen, die meinen, Schwarze hätten es einfach nicht so drauf, vom Gegenteil. Leute, die so denken, gibt es auch unter den Liberalen. Und er inspiriert Schwarze, die sich minderwertig fühlen. Menschen wie Colin Powell, Condoleezza Rice und Obama sind wichtige Vorbilder und regen Menschen dazu an, ihre Vorurteile beiseite zu legen.

Obama hat in Harvard studiert bevor er nach Chicago ging, wo er seine politische Karriere begann. Spricht er dennoch, wie Bill Clinton es konnte, die Sprache der normalen Leute?

Obama hat, bevor er in die Politik ging, in Nachbarschaftsprojekten in den Vororten Chicagos gearbeitet. Das heißt mit armen Leuten, Schwarzen und Weißen. Obama hat stets deutlich gemacht, dass er für ein besseres Gesundheits- und Bildungssystem eintritt und dass er weiß, wo armen Menschen der Schuh drückt. Als Senator hat er sich dann auch für solche Forderungen stark gemacht.

Da hat aber auch Hillary Clinton mit ihrem Versuch, ein umfassendes Gesundheitssystem aufzubauen, einiges vorzuweisen, auch wenn sie damals scheiterte. Wo kann Obama denn spezifisch punkten? Mit seinem Ablehnung des Irakkrieges, gegen den er stets war? Wird ihm das in der schwarzen Community, die im Militär im Irak überproportional Opfer bringt, zusätzliche Punkte bringen?

Ja, das ist sicher ein Pluspunkt für ihn. Seine Schwachpunkte sind aber seine Jugend und der Mangel an Erfahrung. Das unterscheidet ihn gerade von der erfahrenen Hillary Clinton.

Zu was sind die US-Wähler eher bereit – für eine weiße Frau oder einen schwarzen Mann im Amt des Präsidenten?

Ich finde diese Debatte spalterisch. Ich sage dazu nur: Die USA sind bereit für eine starke liberale Frau und für einen starken liberalen Mann. Wir haben diesmal wirklich gute Kandidaten, um diese Quarkköpfe endlich aus dem Amt zu wählen, uns aus dem Irak zurückzuziehen und uns um die Energiepolitik, die Gesundheits- und Bildungspolitik zu kümmern. Denn all das ist dringend erforderlich.

INTERVIEW:
ADRIENNE WOLTERSDORF