Grüne briefen ihren Lieblingsfeind

In einem offenen Brief fordern die Grünen Vattenfall zum Verzicht auf das geplante Steinkohlekraftwerk auf

Liebesgrüße sind es nicht gerade, die die Grünen-Fraktion da an die Konzernzentrale von Vattenfall Europe, Chausseestraße 23, geschickt hat. Vorstandschef Klaus Rauscher solle auf den Bau des geplanten Steinkohlekraftwerks verzichten, fordern die Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig und der Energieexperte Michael Schäfer in einem gestern veröffentlichten Brief an den Strommulti. „Das Steinkohlekraftwerk ist klimapolitisch nicht vertretbar.“

Eine Koalition aus CDU, Grünen, FDP und Naturschützern hatte in den vergangenen Tagen gegen Pläne Vattenfalls Front gemacht, in Lichtenberg für 1 Milliarde Euro das größte Kohlekraftwerk Berlins zu bauen. „Mit dem Bau macht sich Vattenfall Europe zum Symbol der Klimaverschmutzung“, schreiben die Grünen. „Dieses Image würde Ihren Konzern in einer modernen Metropole viele Kunden kosten.“

Die Riesenanlage mit Kraft-Wärme-Kopplung soll Strom und heißes Wasser für das Fernwärmenetz im Ostteil der Stadt produzieren und das veraltete Kraftwerk Klingenberg ersetzen. Die Grünen haben ausgerechnet, dass das Werk bei dem veranschlagten Verbrauch von zwei Millionen Tonnen polnischer Steinkohle jährlich fünf Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) ausstoßen würde – ein Fünftel der derzeit von Berlin verursachten Menge.

Die Grünen laden Vattenfall-Boss Rauscher jetzt zu einem Brainstorming ein, wie es auch ohne gehen könnte. Ihre Vorschläge: mehr Energie sparen, mehr erneuerbare Energien und, wenn nötig, ein Erdgaskraftwerk mit Kraftwärmekopplung, das mit der Zeit auf Biogas umgestellt wird. Gaskraftwerke blasen nur die Hälfte CO2 in die Luft. Die Grünen empfehlen Vattenfall zum Beispiel den „systematischen Betrieb von Solaranlagen auf großflächigen Gewerbedächern“ oder die „Investition in Tiefenerdwärme im Umland“.

Ob Rauscher die Einladung annimmt, ist noch nicht klar. „Natürlich sind wir immer bereit, Gesprächsangebote in der Stadt wahrzunehmen“, sagte Konzernsprecher Olaf Weidner. Aber vor einer übereilten Zusage müssten erst die Argumente geprüft und bewertet werden.ULRICH SCHULTE