Nur noch Pennys wert

Die Zertifikatspreise für 2007 sind nicht mehr zu retten, aber auch für 2008 gibt es wenig Hoffnung

Selbst einen Niedergang der Preise bis auf null Euro halten einige Handelsteilnehmer noch für möglich

VON BERNWARD JANZING
UND NICK REIMER

Die Situation ist paradox: Während einerseits der Klimawandel immer stärker ins Bewusstsein rückt, verfallen an den Börsen die Preise der Emissionszertifikate. Umweltverschmutzung wird also immer billiger. Wer das Recht erwerben will, in diesem Jahr eine Tonne Kohlendioxid in die Luft zu blasen, bezahlt dafür inzwischen weniger als einen Euro.

Die Ursache ist eindeutig: „Für die erste Handelsperiode 2005 bis 2007 hat es viel zu viele Emissionsrechte gegeben“, sagt Nino Turek, Emissionshandelsexperte beim Consultingunternehmen Fichtner in Stuttgart. Damit haben die Akteure ein an sich sehr wirkungsvolles Instrument zumindest im ersten Anlauf an die Wand gefahren.

Mit der Ausgabe der Emissionszertifikate will die EU ihren Verpflichtungen zur Reduktion der Treibhausgase im Rahmen des Kioto-Protokolls nachkommen. Und das funktioniert so: Jeder Betreiber einer Großanlage, die fossile Energien nutzt (Kraftwerke und Fabriken), bekommt ein Kontingent an Emissionsrechten zugeteilt. Bläst der Betreiber mit seiner Anlage nun weniger Schadstoffe in die Atmosphäre, als er Zertifikate besitzt, kann er die überzähligen Rechte verkaufen und damit Einnahmen erzielen. Will er mehr emittieren, muss er hingegen Papiere zukaufen. Der Charme des Verfahrens liegt darin, dass damit die Abgase vermindert werden können und die Reduktion nach ökonomischer Logik jeweils dort erfolgt, wo dies am billigsten machbar ist. Diesen Charme aber haben die Akteure vergiftet.

Erster Akteur war seinerzeit Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne). Sein Entwurf sah 482 Millionen Tonnen vor. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) prognostizierte den Untergang des Abendlandes – und wollte der deutschen Industrie deutlich mehr als 500 Millionen Tonnen genehmigen. Nach Vermittlung von Kanzler Gerhard Schröder reichte Deutschland bei der EU zur Genehmigung einen Plan mit 499 Millionen Tonnen ein. Und den genehmigte die EU auch. Tatsächlich aber stieß die deutsche Industrie 2005 nur 477 Millionen Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid aus. Nach Bekanntwerden dieser Zahl rauschte der Preis zum ersten Mal in den Keller. Nachdem der Kurs im Sommer 2005 zeitweise bei 30 Euro gelegen hatte, sind die CO2-Emissionsrechte mit einem aktuellen Kurs von 90 Cent inzwischen zum Penny-Stock verkommen.

Selbst einen Niedergang bis auf glatt null halten Handelsteilnehmer noch für möglich. Eine Einschätzung, die Rainer Baake von der Deutschen Umwelthilfe teilt: „Am Ende der Handelsperiode haben sich alle Marktteilnehmer mit Zertifikaten eingedeckt. Deshalb sinkt die Nachfrage – und damit der Preis – praktisch auf null.“ Baake war unter Jürgen Trittin als Staatssekretär für die Gestaltung des Zertifikatehandels verantwortlich. Er sagt: „Die erste Handelsphase war eine Phase des Übens.“

Offenbar auch für die Unternehmen: Am Anfang der Periode deckten sie sich mit mehr Zertifikaten ein, als sie tatsächlich benötigten. Entsprechend sieg der Preis auf 30 Euro. Jetzt liegen diese Zertifikate augenscheinlich bleischwer im Depot.

Ein Anreiz für klimaschützende Investitionen und zum Energiesparen ist damit kaum gegeben. Branchenkenner wissen aus Erfahrung, dass Unternehmen erst bei einem Preis von 25 bis 30 Euro je Tonne Kohlendioxid in nennenswertem Maße beginnen, in bessere Technik zu investieren.

Die Zertifikatspreise für 2007 sind also nicht mehr zu retten, und so richtet sich der Fokus von Klimaschützern zunehmend auf den Kurs der CO2-Kontingente für 2008 und die folgenden Jahre. Doch auch hier bröckelt der Preis stetig. Noch im April letzten Jahres kostete die Tonne Kohlendioxid, die ab 2008 ausgestoßen wird, 32 Euro. Heute ist die Luftverschmutzung mit 12,90 Euro schon wieder deutlich billiger zu haben – und das ist kein gutes Signal.

Denn der Preis spiegelt die Vermutung der Investoren wider, dass auch in der zweiten Kioto-Periode der Jahre 2008 bis 2012 die Klimaschutz-Vorgaben der EU ziemlich lasch sein werden.

Der Markt straft damit die Beschwerden von Lobbyisten Lügen, die sich durch das Kioto-Protokoll über Gebühr belastet sehen. So hatte zum Beispiel die deutsche Stahlbranche kürzlich die von der EU-Kommission vorgegebene Zuteilung von Kohlendioxid-Zertifikaten als „absolut inakzeptabel“ bezeichnet. Diese Larmoyanz jedenfalls hat der Markt als reinen Bluff entlarvt: Der geringe Preis des Kohlendioxids zeigt längst, dass die Händler den Druck auf die Klimasünder als sehr moderat einschätzen.