MARTIN UNFRIED über ÖKOSEX
: Bitter: Konzernbosse lachten mich aus

Während Ökosex 26 Ökostromkunden wirbt, bauen die Konzerne 26 dreckige Kohlekraftwerke. Was tun?

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„Leute“, schreie ich immer, „ich will Erfolge sehen! Unterschriften will ich sehen! Stromwechsler! Atomstromkündigungen! Deshalb seid Ihr hier im Club der Nervensägen.“ Dann streue ich eine Erfolgsstory ein. „Leute, Micha aus Heidelberg hat mir eben eine Mail geschickt. Er wechselt von Kohle- und Atomstrom zu fantastischem Klimaschutz-Ökostrom. Gebt Micha eine warme Runde Applaus. (klatsch, klatsch, klatsch) „Green electricity“, schreibt uns Micha, „will change my life completely. Thank you Ökosex for all you have done!“ Dann ist es ganz ruhig im Saal. Jetzt das Finale: „Leute, drum geht ihr jetzt da raus durch diese Tür und klatscht sie an die Wand, die Atomstromrechnungen! (atomausstieg-selber-machen.de)“

Ja, so mache ich das immer beim Ökosex-Motivationstraining für neue Mitglieder. Seit Klinsi wissen wir, wie wichtig ausgefeilte Motivationstechniken sind. Ich sage auch immer, dass den Atomstromkonzernchefs schon die Knie schlottern. Das ist ein bisschen übertrieben. Ehrlich gesagt, es ist gelogen. Die haben ja noch immer glänzende Umsätze, gute Laune und freuen sich ihrer Anträge zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Denn RWE, EnBW, Vattenfall und Eon wissen sehr genau: Es gibt immer noch genug Frühbucher und Warmduscher, die den Atom- und Kohlestrom kaufen werden. Das ist die unangenehme Wahrheit.

Aber heute soll diese Wahrheit regieren bei Ökosex. Die Zeit der Selbsttäuschung ist vorbei. Denn ich habe von einem Braunkohlekraftwerk geträumt.

Ich saß in einer Turbinenhalle in Nordrhein-Westfalen. Da saßen auch die Bosse von RWE, EnBW, Vattenfall und Eon. Sie lachten. „Na, du kleine Nervensäge“, riefen sie, „heute wieder einen zum Ökostrom überredet?“

Ich nickte.

Sie lachten hämisch.

„Weißt du was“, sagten sie, „während du 26 Leute vom Stromwechsel überzeugst, bauen wir 26 neue Kohlekraftwerke!“ Sie schoben mir feixend die aktuelle Liste rüber. Tatsächlich: 26 Kohlekraftwerke in Planung (www.bund.net/klimaschutz).

„Das könnt ihr doch nicht machen!“, schrie ich, „was, wenn Konsumenten keinen Kohlestrom wollen?“ Da lachten sie wieder und riefen: „Ach, vergiss die Konsumenten. Es geht um Politik, stupid!“

Ich erwachte mit Tränen in den Augen und schrieb 100-mal auf einen Zettel: Es geht um Politik. Es geht um Politik. Es geht um Politik.

Ökosex ist angetreten, um Konsumenten zu mobilisieren, um Gefühle und Herzen zu bilden, um den Begriff „cool“ mit „öko“ zu versöhnen. Ökosex ist aber nicht naiv. Wir kennen die Grenzen der Konsumgefühle. Wenn 26 Kohlekraftwerke politisch durchgewunken werden, dann stehen da 26 Kohlekraftwerke, die für die nächsten 40 bis 50 Jahre Strom liefern.

Hier geht es nicht um Glühbirnen, sondern um Ordnungsrecht. Soll die Politik konventionelle Kohlekraftwerke gesetzlich verbieten? Hat Sigmar Gabriel das vorgeschlagen? Nö, der schwärmt von Clean Coal. Wurde so ein Verbot in den Medien diskutiert? Nö, interessiert da kein Schwein. Ökosex interessiert es aber. Der heutige Lektüretipp: „Jenseits von Kohle und Atom“, das ist ein Programm für erneuerbare Energien von Eurosolar (www.eurosolar.org) und sehr jenseits von Sigmar Gabriel.

Jetzt zum Fernsehen. Ich war zu Gast bei „Hart aber Fair“, einer Talkrunde im WDR-Fernsehen. Es ging ums Klima, also um große Autos und ums Tempolimit. Das sind im Gegensatz zu 26 Kohlekraftwerken zwar nebensächliche, aber eben sehr emotionale Fragen des Klimaschutzes. Der supersympathische Moderator Frank Plasberg verarschte mich. Weil ich in den Niederlanden wohne und ein 3-Liter-Auto fahre, machte er einen Witz, in dem die Worte Wohnwagen und Anhängerkupplung vorkamen. Süß war auch, wie er die Gefühle des Mainstreams verbalisierte: In einem kleinen, effizienten Auto mit Biotreibstoffen muss man doch sicher unglaublich leiden, warum ist dieser Mensch da nur so gut gelaunt?

Tja, da sehen Sie die Wirkung von richtig gutem Ökosex.

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